Dynamisches Glossar zur Interkulturellen Kommunikation
© Ulrich Bauer, Lorenia García
- in Bearbeitung -

Dieses Glossar (Glossar von lateinisch glossarium, griechisch γλωσσάριον glōssarion, Diminutiv zu γλῶσσα glōssa „Zunge“, „Sprache“ ist eine Liste von Wörtern mit beigefügten Erklärungen) ist als Orientierung für Einsteiger gedacht.                                
Die Begriffe werden in einfacher Form beschrieben und nehmen aufeinander Bezug. Dies wird durch das Zeichen => kenntlich gemacht. Einige der Begriffe sind in ähnlicher Form in vielen Quellen (auch im Internet) zu finden, was vor allem den Konsens in der aktuellen Diskussion dokumentiert. Manche Begriffe sind jedoch spezifischer zugeschnitten, um in Abgrenzung zu anderen Begriffen ein in sich schlüssiges Korpus an Definitionen zu geben. Viele Begriffe sind Korrelate, das heißt, sie besitzen einen „Gegenbegriff“ und viele Begriffe werden hier auch mit ihren Antonymen dargestellt.                                                                   
Die im Folgenden aufgelisteten Definitionen beziehen sich auf die aktuelle wissenschaftliche Diskussion des Themas „Interkulturelle Kommunikation“. Viele der hier definierten Begriffe wurden oder werden in anderen wissenschaftlichen Kontexten mit einer anderen Bedeutung definiert, weshalb man z.B. bei einer Internetsuche nach Schlagwörtern zwar schnell das entsprechende Schlagwort findet, aber die zugehörige Definition oftmals nicht aus dem Bereich IKK stammt, sondern aus einem anderen wissenschaftlichen Kontext. 
Am Beispiel der Akkulturation kann man das gut beschreiben: In der Militärgeschichte bedeu-tet der Begriff, dass eine unterlegene Gruppe sich an eine überlegene Gruppe anpassen muss, wobei die Absichten der dominanten Gruppe variieren (z. B. Kolonisierungs-absicht, Versklavung, Handel, Evangelisierung, militärische Beherrschung). Auch variieren sie abhängig davon, ob die sich akkulturierende Gruppe freiwillig den Kontakt sucht oder dazu gezwungen wird. In der Interkulturellen Kommunikation hat der Begriff eine andere Bedeutung und die Verbindung mit z.B. militärischem Zwang ist fast schon das Gegenteil davon, was in unserem Kontext gemeint ist: Hier geht es um das Lernen von neuen Regeln, Werten und Handlungsoption und um die Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Daher sollte man sehr vorsichtig sein, wenn man z.B. im Internet Begriffe sucht, die man selber nicht in einen wissenschaftshistorischen Zusammenhang einordnen kann. 
Das Thema der interkulturellen Kompetenzen ist überladen und schwer belastet mit politischen Forderungen und Angriffen. Zugleich schreiben viele Personen zu diesem Thema, die tatsächlich keine fachliche oder gar wissenschaftliche Basis haben. So kommt es, dass einer-seits viele Beiträge und Definitionen so stark vereinfacht sind, dass man sie nicht verwenden kann. Diesen primitiven Modellen stehen auf der anderen Seite solche gegenüber, die die Anwendbarkeit und eine problem- und sachorientierte Diskussion gerne opfern, wenn sie dafür akademische Spitzfindigkeiten in den Vordergrund rücken können. 
In diesem Glossar solle es um praktisch anwendbare Modelle und Methoden gehen. Das bedeutet, dass man bestimmte Annahmen treffen muss. Wir gehen vor allem davon aus, dass zwar jeder Mensch verschieden ist, aber dennoch Menschen sich in Gruppen aneinander orien-tieren, und dass dadurch Orientierungs- und Ordnungssysteme entstehen, an die sich die meisten Mitglieder einer Gruppe mehr oder weniger halten. Wer diese Annahmen nicht teilen mag, der kann zu Gemeinsamkeiten im Verhalten von Gruppen keine Aussage treffen. Das ist jedoch lebenspraktisch nicht durchführbar. Wir benötigen immer zumindest einen Anhaltspunkt, wie die Anderen um uns herum sich voraussichtlich verhalten werden. Die Vorhersagbarkeit vieler Routinen gibt uns Sicherheit und macht uns effizient. Der Preis, den wir dafür zahlen, ist die Annahme, dass Menschen aus einer kulturellen Gruppe sich oftmals recht ähnlich verhalten.
Auch gehört es zum Wesen kulturwissenschaftlicher Begriffe, dass viele einen normativen Charakter haben. Das macht sie gerade im Kontext der Interkulturalität sehr schwierig, weil eben normative Vorgaben auch kulturspezifisch sind. Wenn das jetzt zu kompliziert klingt, dann lesen Sie am besten bei => normativ weiter. Viel Erfolg!


A
Affektkompetenz
(von lat.: affectus: Gemütszustand, Gemütsbewegung, Leidenschaft: z.B. Freude, Verzweiflung, Wut, Furcht, Ekel, Überraschung, Interesse, Scham, Schuld, Verachtung) ist eine der wichtigsten Kompetenzen für die erfolgreiche Bewältigung von Situationen, in denen erlernte und sonst meist erfolgreiche Einstellungen zur Welt nicht funktionieren oder gar Konflikte verursachen oder verstärken. Die affektive Reaktion auf kritische Situationen ist in der Regel geprägt von Unsicherheit, Angst und oftmals auch Aggressivität. Das momentane Beherr-schen (und Verbergen) solcher Affekte hilft bei der Stabilisierung der Situation, um damit überlegter umzugehen. Die affektive Dimension interkultureller Kompetenzen umfasst mehrere Aspekte. Wesentlich sind das Vermeiden vorschneller Urteile und unüberlegter Zuschrei-bungen (=> Attributionssuspension). Das kann Zeit und Raum schaffen für eine überlegtere Eigenwahrnehmung, die Reflexion der eigenen Gefühle und Selbstwahrnehmungen sowie das Bemühen um Toleranz, Offenheit und eine möglichst große Vorurteilsfreiheit. Diese sind Vo-raussetzungen für das Anerkennen der Alterität, auch wenn diese sich in einer Form manifes-tiert, die spontan als verletzend, beleidigend, Angst machend, verunsichernd usw. wahrge-nommen werden kann. Letztlich geht es darum, kompetent mit der eigenen affektiven Reaktion umzugehen, und sich nicht von ihr unüberlegt überwältigen zu lassen. Das eröffnet Raum für die => kognitive Dimension interkultureller Kompetenzen, also das Nachdenken über das Erlebte. Letztlich geht es hier nicht um Wissen oder Techniken, sondern um eine innere Haltung – das kann man wollen oder nicht. Unterrichten oder trainieren kann man es nur in gerin-gem Umfang, und übliche Trainings setzen auf das Erkennen von Erfolgen, wenn man der kognitiven Dimension erst mal Raum gibt.


Akkommodation
(von lat.: accommodare „anpassen“ oder „festmachen“) nennt man in der interkulturellen Kommunikation die Phase der Aneignung von Kommunikations- und Interaktionsregeln der-jenigen Kultur, in die man seinen Lebensmittelpunkt verlagert hat. Hierzu zählt insbesondere die Aneignung fremdkulturellen Wissens, um in der fremden Gesellschaft handlungsfähig sein zu können sowie die Reflexion der eigenen => Normalitätsannahmen. Es handelt sich also um die Anpassung eines kognitiven Schemas an neue Erfahrungen. Dabei findet Akkommodation im Gegensatz zur  => Assimilation als Reaktion eines Subjektes auf das Ergebnis einer Hand-lung statt, das seinen Erwartungen nicht entspricht. Die Überraschung oder Enttäuschung kann dann nämlich zu einer Änderung des Handlungsschemas oder zur Bildung eines neuen Schemas führen. In beiden Fällen wird das Verhalten des Subjekts durch Erfahrung verändert und man kann also von ›Lernen‹ sprechen. Akkommodation als eine funktionale Form der Anpassung schließt nicht ein, dass man seine in der Primärsozialisation erworbenen Hand-lungsmuster und Denkweisen ändert, oder gar seine Werte verändert; dies können aber Folgen einer erfolgreichen, wiederholten Akkommodation sein.
Akkommodationsfähigkeit
Bereitschaft und Wille zur Aneignung von Kommunikations- und Interaktionsregeln derjenigen Kultur, in die man seinen Lebensmittelpunkt verlagert hat. Die eigenen Werte und Denk-weisen werden dabei nicht aufgegeben. Die -> interkulturellen Kompetenzen werden in vier Dimensionen unterteilt und der Wille sich einzuleben und sich anzupassen, also die Akkom-modationsfähigkeit, gehört zu den -> konativen Kompetenzen.


Akkulturation
Erlernen von Teilen eines zweiten oder weiteren Sets von kulturellen => Standards, nachdem man in seiner Kindheit bereits ein erstes Set solcher Standards (=> Enkulturation) erlernt hat.
Die erste Akkulturation ist besonders schwierig, weil hier zunächst akzeptiert werden muss, dass die Regeln, die (zu Hause) bisher immer galten, anderswo durchaus nicht gelten. Diese Relativierung der eigenen Erfahrung und Sicherheit aus der Enkulturation in Kindheit und Jugend kann sehr stark verunsichern, weshalb Akkulturation zunächst oft – und manchmal dauerhaft – verweigert wird. 
Akkulturation löscht niemals die ursprüngliche Enkulturation aus – oft überdeckt sie diese nicht einmal völlig, sondern es bestehen neben den ursprünglichen Werten und Routinen wei-tere, neu erworbene Werte und Routinen, die – je nach Situation – mit diesen konkurrieren, und aus denen neben den alten und den neuen Formen auch => idiosynkratrische Mischformen entstehen können.
Akkulturationsbereitschaft
Bereitschaft, nach einer längeren Aufenthaltsdauer im Ausland Werte, Normen und Denkwei-sen des Gastlandes zu erlernen, zu analysieren und vielleicht auch teilweise zu übernehmen und sich zu eigen zu machen. Aufbauend auf die Phase der => Akkommodation können in-folge eines längeren Aufenthaltes in einer anderen Kultur nach und nach Teile von deren Handlungsmustern, Normen, Denkweisen und sogar Werte übernommen und neben früher erworbenen eigenen, aus der => Enkulturation stammenden Elementen das eigenen Handeln und Bewerten mit beeinflussen. Die Akkulturationsbereitschaft gehört zu den => konativen Kompetenzen.


Akzeptanzgrenzen
In interkulturellen Kontexten geht es letztlich auch darum, einen „gemeinsamen Nenner“ als Handlungsgrundlage auszuhandeln, der von allen Beteiligten akzeptiert werden kann. Wichtig ist es daher, die entsprechenden eigenen Akzeptanzgrenzen erkennen, formulieren und wahren zu können. Die Grenzen der eigenen Toleranz müssen für die anderen sichtbar gemacht wer-den. Sie sind einerseits vom eigenen Wertesystem abhängig und müssen andererseits das lokale Rechtssystem akzeptieren. Für das aktive Handeln gilt grundsätzlich immer das lokal gülti-ge Rechtssystem, über das sich kein Akteur hinwegsetzen kann, es sei denn durch Passivität und Verweigern sowie durch das Äußern von Ablehnung oder Nicht-Anerkennung, welches als minimale Handlungsmöglichkeit bleibt.
Akzeptanzgrenzen sind in der Toleranzforschung in den letzten Jahrzehnten ein zentrales Thema geworden. Im Alltag werden sie jedoch häufig durch einen => präskriptiven Diskurs überlagert, in dem sich die beiden Extreme des => Kulturrelativismus einerseits und des => Universalismus andererseits unversöhnlich gegenüberstehen. 


Alltag
meint den statistisch zu ermittelnden und ethnographisch zu beschreibenden durchschnittli-chen Lebensalltag von Menschen einer Kultur. Der Begriff ist eng mit dem der => Lebenswelt verknüpft, den der Soziologe Alfred Schütz gut beschrieben hat. Die Alltagswelt ist nach Schütz ›die Welt des Jedermann‹, in der jeder Mensch lebt, denkt, handelt und sich mit ande-ren verständigt. Sie umschreibt das pragmatische Alltagshandeln in einer gewohnten, als un-hinterfragte Normalität wahrgenommenen Umgebung.
Der Alltagsbegriff ist für das Fremdverstehen auch deshalb so wichtig, weil die Regel gilt: Je alltäglicher etwas ist, umso weniger ausgeprägt ist das Nachdenken darüber und folglich ist umso weniger ausgeprägt die Offenheit für Veränderungen. Besonders deutlich wird dies in der => Nahfremde, wo alles aussieht wie der gewohnte eigene Alltag, ohne dass es der eigenen Alltag wäre.


Alterität
ist ein Ausdruck (von lat. alter: der eine, der andere von beiden), der auf ein Wechselverhält-nis zwischen zwei einander zugeordneten, sich bedingenden Identitäten verweist. Im Unter-schied zu alius oder xenos, dt. der Fremde => Xenophobie, Xenophilie, welche dem Anderen auch schon die Qualität des Fremden geben, bedeutet Alterität erstmal nur die Abgrenzung vom Anderen, die die eigene Identität erst hergestellt. 
Der Mythos von Adam und Eva erzählt diese Geschichte archetypisch: Indem Adam erkennt, dass er anders ist als Eva, erkennt er auch, dass er ein Individuum ist. Dieses Denken in binä-ren Oppositionen privilegiert in der Regel die eigene Seite, so dass "der Andere" als das Nega-tive des Ersten erscheint: Mann/Frau, Geist/Körper, Sprache/Schrift, Kultur/Natur.
Zur Defnition des Eigenen benötigen wir also ein Anderes, eine Alterität. Man kann sich als Frau Definieren im Sinne von nicht-Mann oder als alter Mensch im Sinne von nicht-jung. Auch Großgruppen, Kulturen, Nationen, ja Kontinente definieren und finden sich so in Ab-grenzung zu anderen. Zum Beispiel ist das Bild von den "Wilden" im von kolonialer Expansi-on geprägten Europa eine Möglichkeit für die Europäer gewesen zu sagen „so sind wir nicht, wir sind anders und darum sind wir Europäer“
Es gibt negative Alteritäten (die Barbaren, die Wilden, die XY) und sogar angstbesetzte Al-teritäten (=> Xenophobie), aber es gibt auch positiv besetzte Sehnsuchtsbilder (=> Xenophilie), auf die wir unsere unerfüllten Wünsche projizieren, z.B. die Südsee. 
Auch die "binären Oppositionen" in der Zusammenarbeit zwischen modernen Firmen und ih-ren Standorten in weniger entwickelten Ländern (entwickelt - unterentwickelt; modern - vor-modern; zivilisiert - primitiv; politische Konflikte – regionale Kriege etc.) haben als Ver-gleichsmaßstab immer das eigene, positiv konstruierte Selbstbild. In der => Dekonstruktion solcher Alteritäts-Konzepte liegt auch das Potential für Veränderung. Im Mittelpunkt steht dabei die Kritik an dem definitionsmächtigen Subjekt, das sich selbst als unmarkierte Instanz und als universale Norm setzt, indem es Alterität definiert. Da dieses Subjekt-Objektverhältnis und das darin enthaltene strukturelle Machtgefälle auch auf den industriellen Diskurs zutref-fen (Geber bzw. Nehmer von Technik und Strukturen), versuchen Konzepte wie => Dialog auf Augenhöhe, oder das Konzept der =>kreativen Vielfalt solchen Alteritätskonstruktionen in der Zusammenarbeit entgegenzuwirken.


Ambiguitätstoleranz
Fähigkeit, das Spannungsverhältnis zwischen unvereinbaren Gegensätzen und Mehrdeutigkei-ten (=Ambiguitäten) „aushalten“ zu können. Diese Fähigkeit kann bewusst geübt werden, indem man sich klar macht, dass man etwas zu einem gegebenen Zeitpunkt zwar nicht ver-steht, aber man versteht, dass man es zu diesem Zeitpunkt nicht verstehen kann. Es gibt Am-biguitäten, die man mangels Einsicht niemals verstehen wird. Man kann sehr erfolgreich leben, ohne alles zu verstehen. Die Ambiguitätstoleranz gehört zu den Affektiven Kompetenzen und ist umso ausgeprägter, je weniger eine Person die Handlungsmuster und Werte ihrer => Enkul-turation absolut nimmt.

Aneignung, kulturelle
Seit etwa 2005 wird – aus den USA kommend – oftmals der Vorwurf der sog. „kulturellen Aneignung“ erhoben, der u.a. zur => Cancel Culture führen kann. 
Kultur ist grundsätzlich immer angeeignet – insofern ist der Vorwurf meistens Unfug. Soweit es sich um eine „ausbeuterische Aneignung“ handeln sollte, wäre diese gewiss abzulehnen. Allerdings wird selten im Einzelfall geprüft, ob es sich um ausbeuterische Ziele handelt, mit denen sich jemand etwas aus anderen Kulturen aneignet. Auch sind viele aktuelle Beispiele eher der weitgehenden Ahnungslosigkeit der Protestierenden geschuldet. So ist z.B. die Ras-ta-Kultur selbst das Produkt einer ausbeuterischen Aneignung mit anschließender, komplexer Vermischung mit verschiedenen Kulturen aus der Karibik und den USA. Dreadlocks sind bereits vor über 3000 Jahren in Indien üblich gewesen, und wurden sicher nicht auf Jamaica erfunden … Die echauffierten Diskussionen, warum eine Yoga-Hose sehr wohl eine ausbeute-rische kulturelle Aneignung sei, das Tragen eines Hawaii-Hemdes aber nicht, nimmt man am besten mit Humor.
Ganz im Gegenteil muss man hoffen, dass sich möglichst viele Menschen bei der Begegnung mit anderen Kulturen dort etwas aneignen, sonst würden sie ja nicht lernen. Die (politisch kor-rekte) Vorstellung, man dürfe das nur bei politisch-ökonomisch „starken“ Kulturen tun, ist willkürlicher Unfug, der die „schwächeren“ Kulturen paternalistisch bevormundet.


Anekdote
ist eine kleine, persönliche Erzählung, deren Kern eine irgendwie bemerkenswerte Begeben-heit oder Erfahrung ist. Der Begriff kommt aus dem Griechischen ab (ἀνέκδοτον ~ anék-doton) und bedeutet „nicht herausgegeben“ im Sinne von nicht öffentlich. Erstmalig ge-brauchte Prokopios von Caesarea im 6. Jahrhundert das Wort, als er unter dem Titel Anekdota Klatsch- und Tratschgeschichten über Kaiser Justinian I. veröffentlichte. Heute verwenden wir den Begriff für persönliche Erlebnisse, die durchaus auf dem Niveau von Klatsch- und Tratschgeschichten sei können, die aber in der Fremdbegegnung als Rechtfertigung für eine Meinung über andere gelten: „Ich habe es doch selber gesehen/erlebt!“. Ohne das persönlich Erlebte zu analysieren und ohne zu prüfen, ob man vielleicht nur das erinnert, was einem wich-tig schien (=> false-memory-effect), wird der Eindruck vermittelt, dass der Erzähler tatsäch-lich Einblicke in das fremdkulturelle Leben hatte und sein Gegenüber mit der Autorität des Zeitzeugen in dieses Wissen einweiht. 
Gerade im Zusammenhang mit der Frage nach der => Auctoritas der Teilnehmer an einem Gespräch ist die Anekdote von großer Bedeutung, da sie auch als Argument benutzt wird um andere Meinungen oder sogar wissenschaftlich gewonnene Aussagen in Frage zu stellen: „Das kann ja gar nicht sein, denn ich persönlich hatte mal ein ganz anderes Erlebnis!“. Das Singuläre eines Erlebnisses wird in der anekdotischen Behandlung nicht erkannt.


Anekdotisches Wissen
nennt man das Erfahrungswissen, das wir im Leben aus einzelnen Erlebnissen gewinnen. Es ist stark abhängig von der => Bias unserer Beobachtung, von den situativen Umständen und un-seren Erwartungen. Durch => selektive Wahrnehmung und in einem zweiten Schritt => selek-tive Plausibilisierung suchen wir uns aus einer unendlichen Vielzahl von Erlebnissen vor allem jene heraus, die wir bereits so erwartet haben („Schau, der macht das schon wieder!“) und in einem zweiten Schritt ordnen wir dann für dem Beobachteten bestimmte Plausibilisierungen zu („ist ja logisch, weil doch immer …“). Diese selektiven Plausibilisierungen sind durchaus durchdacht, im Unterschied zu falschen => Attributionen, die spontan erfolgen. Jedenfalls sind wir von unserem anekdotischen Wissen gerne überzeugt, da es auf eigenen Erfahrungen beruht im Gegensatz zum => systematischen Wissen, das durch möglichst neutrale, gut doku-mentierte Beobachtungen und deren Wiederholungen durch Dritte entstehen sollte.


Assimilation
Angleichung eines Individuums oder einer Gruppe an eine neue Umgebung unter Maßgabe der Veränderung ursprünglicher Identitätsmerkmale. Der Begriff spielt in Debatten zur Formulierung und Durchsetzung von => Leitkulturen eine zentrale – und umstrittene – Rolle. Als liberaler Gegenbegriff fungiert "Integration". Die Assimilation kann immer nur auf der äuße-ren Ebene des Handelns erfolgen, aber die inneren Werte kaum oder oftmals gar nicht verän-dern. Auch wer schon 20 Jahre in Indien lebt und sich völlig „indisch“ verhält, also sehr stark assimiliert ist, wird die Tötung von Mädchen wahrscheinlich noch immer ablehnen.
Assimilation wird vielfach verwechselt mit der Anerkennung der öffentlichen Rechtsstaat-lichkeit durch Migranten. Diese (staatsbürgerliche) Leistung bedeutet aber keineswegs, dass eine Person assimiliert ist, sondern nur, dass sie im öffentlichen Raum die öffentlichen Regeln befolgt und z.B. das Gewaltmonopol des Staates anerkennt.
Die Assimilation kann auf fünf Ebenen definiert werden:
Legale Assimilation: Sowohl die Gesellschaft als auch das Individuum erkennen die Gesetzte an und es gibt grundsätzlich Rechtsgleichheit  z.B. für Migranten
Kulturelle Assimilation: Angleichung in Wissen und Fähigkeiten an die Gesellschaft. Dazu gehört vor allem der Spracherwerb
Strukturelle Assimilation: Angleichung und Anpassung in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarkt; dazu gehören „Sekundärtugenden“ , Kompetenzen, Wissen
Soziale Assimilation: Angleichung im Kontakt- und Beziehungsverhalten, Erlernen neuer Normalitätsannahmen, Proxemik, Höflichkeit, Akzeptanz anderer Regeln als der mitgebrach-ten
Emotionale Assimilation: Angleichung an die Identifikationsmuster der Aufnahmegesellschaft; Identifikation mit ihren Werten.


Attribution
Für viele Phänomene und Situationen, die wir beobachten, haben wir keine wissenschaftlich zuverlässige Erklärung. Also machen wir uns selber eine Erklärung, indem wir ein tatsächlich und oftmals auch völlig richtig beobachtetes Phänomen/Verhalten/Vorgehen auf einen vermu-teten, angenommenen oder sogar herbeiphantasierten Grund zurückführen. Attribution oder Attribuierung bezeichnet also die Zuschreibung von Ursache auf bestimmte, beobachtete Handlungen und Vorgänge. Der Begriff stammt aus den => Attributionstheorien von Fritz Heider und umfasst dort auch die aus unbekannten Gründen resultierenden Konsequenzen für das Erleben und Verhalten von Menschen. Wir attribuieren das Beobachtete also auf einen angenommenen und von uns für wahrscheinlich gehaltenen Grund, und da die Beobachtung ja dinglich überprüfbar und richtig ist, nehmen wir an, dass auch unser (bisweilen erfundener) Grund richtig sei.


Attributionsirrtum (fundamentaler)
Ein (fundamentaler) Attributionsirrtum liegt vor, wenn wir ein korrekt beobachtetes Phänomen als Attribut eines falschen oder gar nicht existenten Grundes ansehen. Da wir vielfach die eigentlichen Gründe für eine Beobachtung nicht kennen, nehmen wir einfach wahrscheinliche Gründe an. Diese Gründe sind jedoch nur für uns wahrscheinlich und im Rahmen einer anderen Kultur oftmals nicht nur völlig unwahrscheinlich, sondern falsch und manchmal sogar ge-nau das Gegenteil dessen, was einer tatsächlichen Beobachtung zugrunde liegt. Da wir an unserer eigenen Beobachtung nicht zweifeln, zweifeln wir meist auch nicht an der Erklärung, die wir dieser Beobachtung zugrunde legen. Wenn wir andere Personen treffen, die dem gleichen Irrtum aufgesessen sind wie wir, bestärken wir uns gegenseitig in dem Unsinn, denn wir glauben und nehmen den Anderen in seinem Irrtum als Kronzeugen für unseren eigenen Irrtum.

Attributionsstile
So bezeichnet man eine bereits fest eingefahrene Routine, mit der man Gründe für beobachte-te Situationen annimmt, also „habituelle Voreinstellungen im Hinblick auf die Zuschreibung von Ursachen für bereits eingetretene Ereignisse“. Wir nehmen für viele unserer Beobachtun-gen an, dass es dafür Gründe geben müsste. Sehr oft kennen wir diese Gründe aber nicht, weshalb wir uns dann welche erfinden. Dabei entwickeln sich bestimmte Muster, die von vorher schon vorhandenen Erwartungen geprägt sind. Diese Muster oder Stile beeinflussen erheblich, wie wir dann den Prozess der Attribuierung durchführen. Frühere Erfahrungen, Stereotype und Vorurteile, Übervereinfachungen und (oft völlig falsche) Annahmen leiten uns dabei.                                             
Attributionstheorien
sind allgemeine Ansätze der Psychologie, die beschreiben, wie Individuen Informationen nut-zen, um kausale Erklärungen für Verhaltensweisen von Menschen vorzunehmen. Der Begriff ist zu unterscheiden von Kausaltheorien; das sind Laienerklärungen für die Ursachen von Ge-fühlen und Stimmungen. 


(sekundäre) Attribution
nennt man das Verhalten, wenn hinter eine – an sich schon erfundene – Attribution noch ein tieferer, systematischer Grund vermutet wird, der meist als statisch angenommen wird und erst recht erfunden ist. Wer beispielsweise ein bestimmtes Verhalten beobachtet, dessen Ursa-che er nicht kennt, wird u.U. eine Ursache annehmen. Der Kollege reinigt seinen Arbeitsplatz nicht, „weil er faul ist“. Diese Annahme, also die (primäre) Attribution mag in manchen Fällen zutreffen, aber oftmals ist sie falsch. Um uns nun zu erklären wie jemand ist, dessen So-Sein wir gerade erst selber erfunden haben, überlegen wir uns nun einen tieferen Grund für das So-Sein, also z.B. „… und er ist faul, weil dort immer die Sonne scheint!“ die sekundären Attri-butionen sind meist Marker von Andersheit, d.h. sie beschreiben eine Welt, die sich von der eigenen unterscheidet und in der alle ähnlich sind (siehe => Homogenisierungs-Effekt).


Attributionssuspension
Attributionssuspension nennt man den bewussten Versuch, einen (fundamentalen) Attributi-onsirrtum zu vermeiden, indem man zwar etwas beobachtet, aber es zunächst unterlässt, sich das Phänomen sofort erklären zu wollen. Stattdessen nimmt man die Wahrnehmung zunächst so hin und versucht, sich über deren Richtigkeit (stimmt es, was ich sehe?) sowie über deren Umfang (habe ich alles gesehen oder nur einen Ausschnitt?) und über ihren Hintergrund (was war vorher, warum ist das gefolgt?) zu informieren. Eine Beurteilung wird so lange zurückgehalten (=suspendiert), bis man eine hinreichend gute und umfangreiche Basis für eine Beurtei-lung der Wahrnehmung hat. Das kann Momente, Tage oder Jahre dauern.


Auctoritas 
bezeichnet heute das Ansehen oder die Glaubwürdigkeit mit der jemand von (eigenen) Erleb-nissen berichtet. Ursprünglich ein römischer Wertbegriff , der etwa „Würde“, „Ansehen“ oder „Einfluss“ bedeutete. Wer mit Auctoritas von etwas berichtet, dem glaubt man. Besondere Auctoritas verleiht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, egal welchen Unfug man über diese Gruppe erzählt („Nur Frauen können über Frauen reden“). 
Wenngleich die Zugehörigkeit zu einer Gruppe den Weg zu bestimmten Erfahrungen eröffnet, den andere nicht haben, ist sie auch ein Hindernis für einen fremden Blick auf die Verhältnisse dort. Daher ist wahrscheinlich meist die Summe der Ansichten ausgewogener als die nur durch Auctoritas legitimierte Innensicht.


Autopoiesis
bezeichnet die Reproduktion von Elementen eines Systems durch das System selbst. Die Umwelt hat auf autopoietische Systeme (außer deren Zerstörung) keinen direkten Einfluss, sie kann weder die Elemente konstituieren noch deren Operationsweise direkt verändern. Auto-poietische Systeme bezeichnet man daher auch als operativ geschlossen. Die Operationen z.B. psychischer Systeme sind ausschließlich Gedanken.
Autopoiesis ist daher der Begriff, mit dem man beschreibt wie denkende und wahrnehmende Menschen neue Konzepte => konstruieren. Alle Bilder, die in meinem Kopf sind, habe ich ja selbst darin produziert/konstruiert. Da die Welt in meinem Kopf ein ungenaues Abbild der vorfindlichen Welt ist, besteht sie letztlich aus meinen eigenen Konstrukten. Meine eigenen Vorstellungen in meinem Kopf sind also eine autopoietische Welt.


Autokulturell
bezeichnet die eigene Kultur aus der Sicht des Akteurs im Unterschied zu -> heterokulturell, was aus seiner Sicht die jeweils andere Kultur ist. Der Begriff autokulturell [eigen-kulturell] impliziert also immer eine Perspektive und ist ein => Korrelatbegriff zu heterokulturell. 
=> Fremdheit ist also eine Relation und keine Qualität.


Ähnlichkeitsfalle
Bedingt durch die zunehmende materielle Angleichung vieler Lebens-und Arbeitsverhältnisse auf der Oberfläche der Dingwelt (=> Transkulturalität) entsteht beim Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen leicht die Illusion, diese seien uns selber ganz ähnlich. Aber nur weil Kolleginnen aus einem anderen Land vielleicht auch ein deutsches Markenauto fahren, die gleiche Popmusik hören und abends im Restaurant Cesar’s Salad essen, teilen sie weder meine Werte noch meine Lebenserfahrung, meine Ziele oder Ängste. Die Illusion, mein Gegenüber werde mich schon verstehen, weil ein paar sichtbare Dinge an der Oberfläche meines Lebens und seines Lebens ähnlich sind, ist oft fatal. Wer in diese Falle tappt, der befindet sich in der „Ähnlichkeitsfalle“.


B
Beschreibung
Methode der Kulturwissenschaften, um Kulturen in ihren Besonderheiten darstellen zu kön-nen. Im Laufe der letzten 150 Jahre hat sich ein Kanon an Themenbereichen herauskristalli-siert, den man in einer systematischen Beschreibung abarbeitet. Wird die Beschreibung lege artis durchgeführt, werden also wesentliche Bedingungen von => Wissenschaftlichkeit wie Intersubjektivität, Regelhaftigkeit, Transparenz, Überprüfbarkeit, usw. erfüllt, so spricht man von einer gelungenen Beschreibung. 
Von besonderer Bedeutung ist der aus der => Ethnologie stammende Versuch, bei der Be-schreibung den Blickwinkel der Anderen einzunehmen. Diese Vorstellung ist naiv und stammt aus dem vorletzten Jahrhundert, also Kulturwissenschaften noch „wie im Labor“ sachlich ope-rieren wollten. Wichtig ist jedoch, sich über die Begrenztheit des eigenen Blickwinkels Auf-klärung zu verschaffen, damit man die Außensicht nicht mit einer Gesamtsicht verwechselt.
Kulturhistorische Analysen können den Beschreibungs- durch einen Erklärungsaspekt ergän-zen: Interessant ist nicht nur, wie eine Kultur strukturiert ist, sondern auch aus welchen Grün-den sie in einer bestimmten Weise ""funktioniert".


Best of Both
Synthese unterschiedlicher Merkmale zu einem bestmöglichen Merkmalspool. Ouchi hatte in den 1980er Jahren zur Optimierung der Ertragssituation der US-amerikanischen Automobilin-dustrie vorgeschlagen, die besten US-amerikanischen und die besten japanischen Produkti-onsmerkmale zusammenzuführen. Was sich als "Lean Production" bewähren sollte, scheiterte jedoch gerade an dem mangelnden "fit" der kulturell unterschiedlichen Produktionsweisen. Heute setzt man statt auf Strukturvorgaben auf die Selbststeuerungs- oder Synergiepotentiale von Prozessdynamiken. Die Best-of-both-Modelle ignorieren nämlich die kulturelle Bedingt-heit der erfolgreichen Handlungsroutinen im jeweiligen Land. Schon der naive Umgang mit dem Begriff des => Team in der Industrie zeigt das. Ein Team ist mehr als nur eine Gruppe, und wenn dieser Mehrwert nicht gegeben ist, dann ist es eben nur eine Gruppe. Wird so eine Gruppe (von Mitarbeitern) einer kulturell anders begründeten Arbeitslogik unterworfen, führt das in der Regel überhaupt nicht zu besseren Ergebnissen.


Bias
ist der – auch im Deutschen – heute meist verwendete Begriff für die unbewusste Aktivierung von Stereotypen und Vorurteilen. Diese Bias beeinflusst nicht nur unser Handeln und unsere Bewertung von Personen und Situationen, sondern vorher schon deren Wahrnehmung. Wenn bestimmte vorfindliche Tatsachen nicht mit unserer bias-gesteuerten Erwartungshaltung über-einstimmen, werden sie leicht „zurechtgeschaut“, also übersehen. Daher verzerrt unsere jeweils individuelle Bias die Wahrnehmung der Realität entsprechend unseren Erwartungen, die wie-derum auf unseren Werturteilen beruhen. Es ist, als ob wir die Welt durch eine Linse wahr-nehmen würden, deren Begrenzungen durch unsere Erwartungen geformt würde. Man kann nicht ohne Bias wahrnehmen. Sie zu reduzieren ist der Versuch, wissenschaftlich zu beobach-ten.
Der Blick auf die Welt durch den Filter unserer Bias erlaubt es uns, diese wahrgenommene Welt, Situationen und deren Folgen schnell und effektiv zu kategorisieren und nach einem scheinbar vorhersagbaren Muster zu beurteilen. Das Phänomen der Bias gilt auch innerhalb der eigenen Gruppe und gegenüber sich selbst.


Bikulturell
bezieht sich wie => polykulturell auf den einzelnen Menschen und nicht auf eine Gruppe. Wenn Menschen z.B. aus Mischehen stammen, so werden sie sich u.U. zugleich zwei kulturel-len Handlungszusammenhängen, Regelsystemen und Werten verpflichtet fühlen. Solche Men-schen bezeichnet man als bikulturell. Ihnen kann möglicherweise leichter interkulturelle Kom-munikation gelingen als anderen, weil sie nicht nur über eine komplexere => Enkulturation verfügen, sondern auch die schmerzhafte erste Relativierung der Enkulturation schon gemeis-tert haben könnten. Das ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, wie man an den vielen Schwierigkeiten sieht, die Menschen in solchen meistern müssen: wem bin ich bezüglich mei-ner Werte und Handlungen verpflichtet? Bikulturalität ist oft dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Domänen wie Familie, Gesundheit, Essen, usw. eher einer Kultur verbunden sind, während Arbeit, öffentlicher Raum und Mobilität eher der anderen (Mehrheits)kultur zuge-ordnet sind. Man könnte sagen, dass sich die Loyalität eher den kulturellen und der öffentli-che Auftritt eher den zivilisatorischen Aspekten verpflichtet fühlen.


C
Confirmation bias
beschreibt das einseitige Wahrnehmen von Nachrichten, die die eigene Erwartung bestätigen.


Cross Cultural Studies
ist der in den USA gebräuchliche Begriff für kulturwissenschaftliche Studien über die (eher soziologisch untersuchte) Mehrheitskultur hinaus. Im Unterschied zu den interaktionsorientier-ten "intercultural" Studies steht Cross-Cultural vor allem Bezeichnung von kulturvergleichen-den Ansätzen und Minderheitenstudien. Der Begriff ist vielfach politisch hoch aufgeladen; besonders in der Ethnologie (auf Englisch: „anthropology“ – NICHT „ethnology“, die etwa der deutschen Volkskunde entspricht.) werden mit diesen Studien fast immer auch politische Forderungen verbunden.
Critical Incident oder Kritische Interaktionssituation
Kritische interkulturelle Interaktionssituation bzw. ein vorwiegend kulturell begründetes Missverständnis. Es handelt sich hier um eine Situation, in der unterschiedliche aber meist unsichtbare => Normalitätsannahmen, Interpretationen und Werte plötzlich „an der Oberflä-che“ sichtbar werden und zu einem Konflikt führen bzw. diesen sichtbar werden lassen. Die kritische Interaktionssituation ist also ein Anzeiger, ein Diagnoseinstrument zum Erkennen unterschiedlicher Annahmen. Es muss sich dabei keineswegs um eine schwerwiegende oder mit offener Aggressivität beladene Situation handeln. Vielmehr sind es oft eher die „kleinen“ Missverständnisse, das nicht erkannte „Nein“, die nicht eingehaltene Absprache, die nicht gemeldete Veränderung, usw., die in der Summe die Probleme verursachen. Zu ihrer Bearbei-tung gibt es eine Reihe von bewährten Methoden, so vor allem die => Attributionssuspension, die => Hypothesenbildung zu den Ursprüngen des CI sowie die => Szenariotechnik zur Ent-wicklung möglicher handlungsleitender Empfehlungen und Einschätzungen. 


Culture Assimilator
Kulturassimilatoren zählen zu den am häufigsten verwendeten kognitiven Übungstypen bei interkulturellen Trainings. Von Harry Triandis in den frühen 1960er Jahren entwickelt, steht immer eine sogenannt => Kritische Interaktionssituation, im Mittelpunkt eines Culture Assimi-lators. Mögliche Ursachen der im Rahmen einer kleinen Fallstudie beschriebenen Kritische Interaktionssituation werden genannt und müssen per Antwort-Auswahl-Verfahren in Hin-blick auf ihre => Plausibilität eingeschätzt werden. Faktisch gibt es keine "richtigen" oder "falschen" Lösungen, sondern nur solche, die in Abhängigkeit der kulturellen Perspektive des Be-urteilenden mehr oder minder plausibel erscheinen. Aus diesem Grund wird bei den Auswahl-antworten der Kulturassimilatoren heute auch immer (zumeist prozentual) angegeben, wie An-gehörige der im Critical Incident dargestellten kulturellen Gruppen die Plausibilität der Antwort einschätzen.
Die Überlegungen zu Kulturassimilatoren sind auch die historische Grundlage der heute verwendeten Kulturstandards.


Culture blindness
=> Kulturbildheit


Culture bound - Culture free
Gegensatzpaar, das sich auf die Kulturgebundenheit z.B. von Konsumgüterprodukten bezieht. Im internationalen Marketing dient dies als Indikator für die Entscheidung, ob man eher kul-turspezifisch oder eher standardisierte Kampagnen durchführt. Weitgehend "culture free" sind Produkte aus dem IT-Bereich, sehr stark kulturgebunden hingegen Lebensmittel und Hygie-neprodukte. Die globale Dingwelt entwickelt einerseits zunehmend „kulturfreie“ Produkte, deren typischste Beispiele die Zeichentrickfilme von Disney sind: hier geht es um große The-men wie Liebe, Erwachsenwerden oder Freundschaft und die handelnden Akteure verletzen (als Tiere) kaum irgendeine Konvention. Wir bezeichnen solche culture-free Produkte hier als => transkulturelle Produkte. Wegen der wachsenden =>katakulturellen Bedürfnisse der Kun-den entwickelt sich andererseits ebenso eine wachsende Zahl an => fraudekulturellen oder auch => depravokulturellen Produkten, die dann sozusagen ex proposito culture bound sind.


Cultural Due Diligence
Verfahren zur Unternehmensbewertung, das bei internationalen Merger&Acquisition-Prozessen einsetzt wird, und mit dessen Hilfe nicht nur finanzielle, sondern auch kulturelle Aspekte einer möglichen Kooperation beurteilt werden. Solche Verfahren sind entstanden, nachdem große Merger wegen kultureller Differenzen im Management gescheitert waren. Während man die technischen und die finanziellen Aspekte vorher kalkulieren konnte, war das bei den kommunikativen, den sozialen, kulturellen und überhaupt allen menschlichen As-pekten des Managements nicht möglich, was zu großen Konflikten führen kann.
Die wesentlichen Aspekte der Cultural Due Diligence sind die Analyse der Hierarchien, der Qualifikation, der => Regelrelativität und Kulturverhaftetheit der Mitarbeiter sowie der Ab-läufe und Prozesse und der Entscheidungenfindungen in einem Unternehmen.


Cultural Studies
Begriff, der in den 1960er Jahren in den USA entstand und für einen interdisziplinäre [sozialwissenschaftliche] Forschungsansatz steht, in dem Ethnologie, Soziologie, Literaturtheorie und Kulturanthropologie in der Betrachtung von kulturellen Phänomenen der Gesellschaft kombiniert werden. Wichtiges Anliegen ist das Hinterfragen und Aufspüren von Ideologien und Identitäten und der damit verbundenen Macht. Dabei werden partikulare und lokale Er-scheinungen auf ihren Zusammenhang mit sozialstrukturellen Merkmalen, wie z. B. Phänotyp, Ethnie, Klasse, Schicht, Gender und sexuelle Orientierung, hin untersucht. Typisch für den US-amerikanischen Diskurs ist der ungenierte Umgang mit dem Begriff => Rasse, der dort bis heute für den => phänotypischen Unterschied zwischen Menschen steht. Cultural Studies er-forschen die Bedeutung (meaning) von Gegenständen und sozialen Gegebenheiten. Bedeu-tung wird produziert, aber je nachdem wie ein kultureller Gegenstand konsumiert wird, ändert sich dessen Bedeutung. Die Konsumption von kulturellen Gütern ist ein wichtiger Bestand von Identität. Im Gegensatz zur Kulturkritik der Frankfurter Schule (Kulturindustrie), in der die Konsumenten als betrogene Masse dargestellt werden, betonen die Cultural Studies den kreativen Umgang der Konsumenten mit kulturellen Gegenständen. Cultural Studies befassen sich mit Texten im weitesten Sinn.
Cultural Studies wird in manchen Ländern, gerade auch in den USA auch als (emanzipatorische) Minderheitenstudien aufgefasst.


D
Depravokulturell
von lateinisch depravo: verzerrt, verdreht, verunstaltet bezeichnet die nach den vermuteten Wahrnehmungsmustern von Kunden hergestellte dingliche Fremdheit, die z.B. unter dem Be-griff „airport-art“ wissenschaftlich seit Jahrzehnten diskutiert wird. Entsprechend ihrer Ent-stehung und Gerichtetheit als bis zur Karikatur verzerrtes Abbild einer Kultur (lat: depravata caricatio = Karikatur) dienen depravokulturelle Darstellungen der kommerziellen Vorfüh-rung einer andren Kultur z.B. in großen Freizeitparks, in denen ein dargestelltes Land soweit kulturell reduziert werden muss, bis es für die Besuchermassen als konsumierbares Produkt auf 20 Schlagwörter mit hohem Wiedererkennungswert geschrumpft ist. Eine depravokulturel-le Darstellung ist also eine absichtsvolle Verarmung ex proposito, jedoch im Unterschied zu => pauperkulturell, das im Kern konzeptlos ist und für die Kommerzialisierung fremder Kultur nicht ausreicht.


Diskrepanzannahme
ist ein Begriff aus der Psychologie, der dort für Diagnosezwecke genutzt wird. Er bedeutet, dass Abweichungen von einem definierten Mittelwert einer (ebenfalls) definierten Normgrup-pen erwartet werden. Die D ist das Korrelat zur => Normalitätsannahme.


Divergenzbewusstsein
Divergenz (von lat. divergere in verschiedene Richtungen auseinanderstreben) kommt aus der Linguistik und bedeutet dort die Tendenz zur gegenseitigen Auseinanderentwicklung von Varianten eines (sprachlichen) Elements. Als Resultat können sich aus diesem Prozess zwei klar unterscheidbare Elemente derselben Ordnung entwickeln und sich letztlich parallel im selben Sprachsystem etablieren. In der IKK bedeutet es, dass man sich einer solchen auseinanderstrebenden kulturellen Entwicklung bewusst ist und das aushalten kann. Klar unter-scheidbare Positionen oder Standpunkte können auf Augenhöhe nebeneinander fortbestehen und sich dies bewusst zu halten, ist Divergenzbewusstsein. Es ist von großer Bedeutung, sol-che Unterschiede nicht zu verleugnen, sondern bestehen zu lassen, um durch die Akzeptanz der Unterschiede durch alle Beteiligten letztlich eine tragfähige Lösung herbeiführen zu können (siehe auch => Konsens).


Divergenzhypothese
ist eine Hypothese von „großer Reichweite“, die weltweite Gültigkeit beansprucht. Die Hypo-these besagt, dass kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen trotz der fort-schreitenden Globalisierung auch weiterhin bestehen bleiben. In jüngster Zeit lässt sich be-obachten, dass die Globalisierung zwar zur Einebnung bestimmter Unterschiede führt, indem für einige Gruppen (reich, mobil, frei, usw.) => transkulturelle Elemente entstehen, aber zu-gleich viele Menschen von der Angleichung der materiellen Welt verunsichert sind und daher bewusst eine Verstärkung der eigenen kulturellen Identität als => katakulturelle regional ver-ankerte Welt schaffen. Die These, dass sich globale Elemente wie Jeans und Popmusik mit regionalen und lokalen Elementen wie bestimmten Speisen, Kleidung oder Bräuchen zu einer neuen Mischung kombinieren (Laptop und Lederhose) wird unter dem Begriff der => glokali-sierung diskutiert. Das Antonym zur Divergenzhypothese ist die => Konvergenzhypothese, die davon ausgeht, dass Globalisierungsprozesse letztlich in einer Aufhebung kultureller Un-terschiede münden würden ("one world culture")


Diversitätskompetenz
Der Ausdruck stammt aus der Forschung zur => Diversity. Man unterscheidet fünf Stufen von Diversitätskompetenz: Akzeptanz von Differenzen; Diversitätstoleranz; Diversitätsgestal-tung; Diversitätskultur; Koevolution in Vielfalt. Ob die letzten dieses fünf Stufen in Wirklich-keit erreicht werden können ist ungewiss – geschichtliche Beispiele dafür fehlen, da sich bis-her immer eine Gruppe aus der anfänglichen Vielfalt durchgesetzt hat und den anderen Grup-pen ihre Verhaltensnormen und Werte letztendlich aufgezwungen hat.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Kompetenz, Diversität zu ertragen, son-dern auch die Überlegung, wie viel Diversität eine Gruppe erträgt, bevor sie auseinanderbricht. Schon wenn ein Auseinanderbrechen nur als Möglichkeit drohen könnte, setzt das (mik-ro)politische Prozesse in Gang, die die Diversität zugunsten der Macht über die Gesamtgruppe wieder zu verringern suchen. Solche Prozesse haben z.B. zu der Diskussion um eine mögliche => Leitkultur in Deutschland geführt.


Diversity
bedeutet in der Diskussion der IKK zunächst (kulturelle) Vielfalt. Spätestens seit der UNE-SCO-Deklaration zur kulturellen Vielfalt werden Diversity-Konzepte in allen Gesellschaftsbe-reichen umzusetzen versucht – häufig allerdings im Verständnis einer => Political Correctness. Das bedeutet, dass Diversity zu einem vorgeschriebenen (präskriptiven) Ziel wird, dessen Ein-haltung überwacht und dessen Nichteinhaltung bestraft werden kann. Ähnlich wie „Compli-ance“ und dergleichen Begriffe, wird hier im Gefolge einer US-amerikanischen Weltanschau-ung das Recht des Einzelnen auf Entfaltung gelegentlich über die Rechtsstaatlichkeit gestellt, indem z.B. Kategorien zur Kontrolle von Diversity geschaffen werden, die der Rechtsstaat gar nicht kennt (Gleichheit vor dem Gesetz) und die mitunter die „zu schützende“ Minderheit überhaupt erst konstituieren.


Domophobie
beschreibt die Angst davor, zu Hause zu sein – und sich dort sozialer Verantwortung zu stel-len und dieses Zuhause zu gestalten. Von der historischen Romantik bei Eichendorffs Tauge-nichts über die => Drifter und die Hippies bis zu den => digitalen Nomaden war den domo-phoben Menschen das Unterwegssein stets wichtiger als das emphatische Interesse an der an-zutreffenden Kultur. Immer nur wegzulaufen, ohne sich für Andere zu interessieren, ist ein Grundelement der Verfechter der Transkulturalität. Hedonistisches Nomadentum auf der Su-che nach einer individuellen Maximierung der Selbstverwirklichung prägt laut und selbstbe-wusst die Ansprüche dieser kulturell autistischen und nur funktional kommunizierenden jun-gen Klientel. Digitalnomaden fühlen sich nicht anders fortgezogen als romantische Wanderer vor 200 Jahren. Nur erlaubten die Bedingungen und die Geschwindigkeit der Reise damals noch nicht, sich dem Lokalen völlig zu entziehen, so wie es heute aus Reiseblogs klingt, wo jemand prahlt schon 50 Länder „gemacht“ zu haben, ohne dass er ein einziges hinter dem Rand seines Tablets wirklich gesehen hätte. Die transkulturelle Welt, die solche Menschen im digitalen Nirwana begleitet, ist der Nicht-Ort der Domophobie.


Drifter (kulturelle)
Der Begriff des drifters ist in Film und Kunst seit Anfang des 20. Jahrhunderts definiert als eine Person, die ohne einen stabilen Wohnsitzt und meist ohne stabiles Einkommen von Ort zu Ort zieht. Gelegentliche Arbeiten vor Ort finanzieren den jeweiligen Aufenthalt. Seit dem Roman The Drifters von 1971 (James A. Michener) ist der Begriff auch in der Reiseliteratur etabliert. Von der dauerhaft sesshaften Bevölkerung wird der drifter mit Missbilligung be-trachtet. Im Unterschied zu wandernden Gruppen (Roma, Sinti) ist der drifter alleine unter-wegs. Rambo ist eine romantische Figur für drifter. Inzwischen entspricht das Modell des drifters oftmals dem Leben des modernen digitalen Prekariats, soweit dieses auch hochmobil als der neue soziale Typus des flexiblen »kulturellen Drifters« an verschiedenen Orten (gerne mit niedrigeren Lebenshaltungskosten) arbeitet. Dauerhafte kulturelle Diskontinuität ist dabei die Folge der kontinuierlichen Dynamisierung der Arbeitswelt in Verbindung mit der Digitalisierung und führt zu Identitätsverlusten und der Entwicklung einer funktionalen => Transkulturalität. Im Unterschied zum Drifter des 20. Jhdt., der durch Armut und Verzweiflung in die Welt getrieben wurde, kann der moderne kulturelle Drifter in die Kultur seiner Herkunft und seiner => Enkulturation zurückkehren.


Dunning-Kruger-Effekt 
ist ein Effekt, der beschreibt, wie und warum inkompetente Menschen das eigene Wissen und Können überschätzen. Damit wird eine => kognitive Verzerrung im Selbstverständnis be-schrieben, die vor allem auf der Unfähigkeit beruht, sich selbst einigermaßen objektiv zu beurteilen. Also sozusagen zu dumm, um die eigene Dummheit und Unfähigkeit zu bemerken. Das eigentliche Problem ist aber nicht einmal die eigene Dummheit und Unfähigkeit, sondern die statistisch signifikant nachgewiesene Beziehung zwischen großer Unfähigkeit und grenzenlo-ser Selbstüberschätzung. Weniger kompetente Personen neigen besonders ausgeprägt dazu, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht zu erken-nen und vor allem das Ausmaß ihrer eigenen Inkompetenz nicht zu erkennen. Solche Personen können jedoch durch Bildung oder Übung nicht nur ihre Kompetenz steigern, sondern auch lernen, sich und andere besser einzuschätzen. There is hope.

E
Eigenes
Eine Kultur bzw. Lebenswelt wird dann als "eigene" und "nicht-fremde" bezeichnet, wenn die Kontextbedingungen ein alltagsbezogenes Routinehandeln ermöglichen, das für den Han-delnden durch Plausibilität bzw. „Normalität“ und Sinnhaftigkeit charakterisiert ist. 
Das Eigene wird weit weniger => homogenisiert als das => Fremde, da hier für jede Regel aus dem persönlichen Erleben immer Ausnahmen gefunden werden. Zugleich gilt auch, dass das Eigene in aller Regel positiver, nämlich als (algemein)gültige Norm betrachtet wird als das Fremde.


Eisbergmodell


ist eine stark vereinfachende, räumliche => Metapher, die in vorwissenschaftlichen Erklärun-gen gerne verwendet wird. Das Modell wird üblicherweise für zwei verschiedene Darstel-lungszwecke verwendet.
(1) Einerseits versinnbildlicht es, dass immer nur ein kleiner Teil kultureller Spezifik sichtbar oder wahrnehmbar ist. „Unter“ den sichtbaren Handlungen und der sichtbaren und erfahrba-ren Oberfläche einer Kultur befinden sich verschiedene, „tiefere“ Ebenen der Verhaltensnor-men, der Werte, der individuellen biografischen Erfahrung, der Ethik. Sie sind nicht sichtbar und auch nicht direkt erfahrbar, aber ihre Folgen sind erfahrbar, ohne dass man deshalb schon verstehen würde, woher sie stammen.
(2) Andererseits kann es auch so gelesen werden, dass jedes kulturell bedeutungsvollen Zeichen, also ein Weihnachtsbaum, eine Uniform oder ein Auto (die als Zeichen ja sinnlich wahrnehmbar sind) also das Wahrnehmbare selbst (perceptas) wiederum „Zeichen“ für zugrunde-liegende (aber als solche nicht sichtbare) Denk- und Handlungskonzepte (konzeptas) steht.
Hinter identischen Zeichen können sich – kulturspezifisch  verschieden – durchaus sehr unter-schiedliche Konzepte und Denkmuster verbergen. Vor allem abstrakte Begriffe wie „Zeit“ oder „Genauigkeit“, „Verantwortung“ oder „Zusammenarbeit“ haben je nach Kultur sehr un-terschiedliche Bedeutungen. Im => Internationalish, das die meisten Manager für ihre Kommunikation benutzen, werden sie aber durch die gleichen Wörter (also: die gleichen Zeichen) dargestellt. So hat „responsibility“ dann aber je nach Kultur eine andere Bedeutung für die Beteiligten, was oft zu Konflikten führt. Erst unter Einbeziehung solcher konzeptioneller Modelle wird eine Kultur besser erklär- und verstehbar. So wie auf der Ebene der perceptas das Was einer Kultur beschrieben wird, so ermöglicht die konceptas-Ebene in einem zweiten Schritt Erklärungen des Warum bestimmter Eigenarten und Funktionszusammenhänge.


Emisch vs. Etisch
sind ein Begriffspaar aus der Kulturwissenschaft. Damit war gemeint, dass emisch ist die In-nensicht bzw. Binnenperspektive von Mitgliedern einer Kultur sei, während etisch die distan-zierte Außensicht bezeichnet. Emisches Forschungsvorgehen versucht, universelle und eigen-kulturelle Kriterien bzw. Erfassungskategorien auszublenden, um die fremde Kultur ›von innen‹ her zu verstehen und zu beschreiben. Dieser Anspruch besteht insbesondere bei der teil-nehmenden stationären ethnologischen Feldforschung und ist von großer Naivität. Es ist bezeichnend für Ethnologen, Psychologen und andere Fächer, dass sie lieber solche Konstrukti-onen bemühen als die eingeschränkte Sicht aus ihrem Blickwinkel von vorn herein anzunehmen. 


Emotionale Beweisführung (emotional reasoning)
ist eine Form der Selbstvergewisserung, die seit Jahrzehnten in der kognitiven Verhaltensthe-rapie diskutiert wird (Aaron T. Beck). Dabei betrachtet man die eigenen Gefühle als Beweis für die Richtigkeit von Behauptungen. Wenn man Angst hat, muss doch unbedingt auch ein Grund existieren, um Angst zu haben. Wenn man spürt, da sei etwas faul, dann ist sicher auch wirklich etwas faul – so glaubt man jedenfalls. Wenn man sich wütend fühlt, dann ist das doch schon der Beweis dafür, dass etwas schieflwäuft und jemand verantwortlich sein muss. Angst, Unsicherheit und das Fehlen von eingeübten Umgangsweisen in Verbindung mit einem schmerzhaften Mangel an Selbstwirksamkeit verlockt dazu, jede Vernunft aufzugeben, und die eigenen Gefühle für den Gradmesser von Wahrheit zu halten. Gerade in Begegnungen in anderen Kulturen, in denen man selber sich unsicher fühlt, eigene Routinen nicht funktionieren und vernünftige Fragen nicht sofort zu Antworten führen, ist das eine mögliche (wenngleich extrem unkompetente) Reaktion.


Empathie
Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Befindlichkeiten und Denkweisen der fremdkulturellen Partner. Empathie ist vor allem der Wunsch, einfühlsam zu sein; er setzt keinerlei Verständnis des Anderen voraus und begründet sich in der reinen Mitmenschlichkeit.


Enkulturation
auf den ursprünglichen und ersten Sozialisationsprozess im Leben bezogen. Also die Sozialisa-tion in der Kindheit und Jugend, in der eigenen Herkunftskultur. Hier erfolgt der Erwerb von Werten, Normen, Routinen, Sprache, Verhaltensstilen etc. Die Menschen, von denen man sei-ne Enkulturation erfährt, sind einem meist während Kindheit und Jugend die wichtigsten Bezugspersonen. Daher ist die Infragestellung der Enkulturation – z.B. in einem Critical Incident – besonders problematisch, weil eben auch die Regeln und Werte der eigenen Eltern infrage gestellt werden. Enkulturation ist stets auf die Primärsozialisation bezogen. Akkomodation und Akkulturation bauen hierauf auf und werden daher der Sekundärsozialisation zugerechnet.


Erfahrungs-/ Erwartungsdialektik
Zu großen Teilen werden Wahrnehmungen bzw. Erfahrungen durch Erwartungen beeinflusst - und umgekehrt. Auf diese Weise erschließt sich vor allem die Bedeutung von Sozialisations-kontexten für die Herausbildung "spezifischer" kultureller Merkmale.


Erzwingungsmechanismen, staatliche
sind vor allem staatliche Mechanismen, die die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln im Miteinander erzwingen. Wo es solche allgemeinverbindlichen Regeln nicht gibt, fehlt die Rechtsstaatlichkeit. In der Regel wird bei der Vermittlung offizieller Werte in den nationalen Schul- und Bildungssystemen bereits intensiv auf die Erzwingungsmechanismen wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Steuerfahndung, Ordnungsdienste, also die gesamte Exekutive hingewiesen, weshalb die => Enkulturation auch eine bestimmte Haltung gegenüber diesen Mechanismen umfasst. Wer in einem sehr korrupten Land aufwächst, weiß z.B., dass Regeln nur für diejenigen gelten, die sich nicht freikaufen können. Die E. sind Teil der => Steue-rungsmechanismen, zu denen auch die => Belohnungsmechanismen gehören.
Grundsätzlich gilt, dass in partizipativen Gesellschaften (also rechtsstaatlichen Demokratien) die Erzwingungsmechanismen eine gewisse Akzeptanz haben, weil sie vor dem Gesetz alle gleich machen (gleiches Bußgeld für alle Raser, egal wie reich und wichtig sie sind), während  die E. in Gesellschaften mit einem sehr hohen => Gini-Koeffizient eher abgelehnt werden.


Erzwingungsmechanismen, soziale
sind Mechanismen der Familie, des näheren sozialen oder religiösen Umfeldes oder jedenfalls einer Nachbarschaft, deren Bewertungen man ausgesetzt ist. Hier handelt es sich um nicht kodifizierte, nicht immer sicher beschriebene und oftmals auch nicht wirklich bekannte Gebote und Verbote, deren kontingente Interpretation den Hütern und Wahrern der Mechanismen obliegt. Die härteste Form dieser Mechanismen sind => Tabus


Ethnoscapes
Von dem Ethnologen Arjun Appadurai Anfang der 1990er geprägte Bezeichnung für transna-tionale "ethnische Räume". Gemeint sind damit territorial unabhängig entwickelte Grup-penidentitäten wie etwa das weltweite Netz der Auslandschinesen.


Ethnolekt
sind Sprachformen, die ethnische Gruppen sich selbst zuschreiben, und mittels derer sie sich abgrenzen können. Häufiges => code-switching zwischen den hierbei eingesetzten Sprachen, Registern und Dialekten (auch Jargon, usw.) führt zu einer Sprache, die außenstehenden nur schwer oder gar nicht verständlich ist, und die darum als Abgrenzung aktiv eingesetzt und in der ethnischen Gruppe (in der Regel einer Minderheit) verwendet werden kann.


Ethnomimesis
also die mimetische Aneignung von Charakteristika, die für eine (meist so nicht mehr vorhan-dene) Ethnie oder ethnisch definierte Gemeinschaft angenommen werden. Es handelt sich um das Nachleben – Nacherfinden – bekannter ethnischer Formen und Traditionen beim Kampf um Identität. Wenn immer mehr junge Leute nach der Jeansmode nun auf das Oktoberfest wieder eine (dazu neu erfundene Tracht: „Landhausmode“) tragen, entsteht ein neues Identi-fikationspotential auf der Basis des früheren Brauchtums.


Ethnozentrismus
Der Blickwinkel der eigenen Kultur steht im Mittelpunkt bzw. wird als der anderen kulturel-len Sichtweisen überlegene angesehen. Ethnozentrismus kann dementsprechend explizit auf-treten und im Extremfall zu Fremdenhass führen. Implizit ist es vorhanden, wenn die kulturel-le Spezifik des eigenen Handelns nicht reflektiert wird (--> Polyzentrismus, --> Rollendistanz, --> Empathie).


F
False-Balance-Effekt
nennt man eine völlig unausgewogene Berichterstattung zu einem Thema, die den Eindruck erweckt, dass es pro und contra gleichberechtigte Argumente gebe, auch wenn tatsächlich eine hohe Zahl von gut begründete Aussagen (z.B. wissenschaftliche Forschung) zugunsten einer Seite gibt. Ein einfaches Beispiel ist die Diskussion um Luftreinhaltung: 30.000 Studien von Medizinern, Biologen und anderen Forscher bestätigen, dass Feinstaub und Stickoxid aus Autoabgasen sehr schädlich ist. Dann kommen ein paar wenige Autoren, von denen noch dazu manche aus der Autoindustrie stammen, und behaupten (fehlerhaft noch dazu), dass das gar nicht erwiesen sei. Prompt entsteht eine Diskussion, die von Laien nicht durchschaut wird. Es bleibt das Gefühl, man wisse eigentlich nicht, was nun richtig sei, und jede Seite habe ja „gute Argumente“. Der False-Balance-Effekt wird gezielt zur Manipulation eingesetzt.

False-Memory-Effekt
Das Erfinden von Erinnerungen, um bruchstückhafte Erinnerungen zu ergänzen. Es wird vor allem in der Psychologie – und hier in der Kriminalistik – schon lange untersucht (Liszt/Stern 1902) und ist unter dem Namen False-Memory-Effekt gut dokumentiert. Tatsächlich funktio-niert unser Gedächtnis nicht wie eine Filmkamera, die Abläufe aufzeichnet, sondern vielmehr als ein konstruktiver Prozess. Unser Gehirn ist vom Aufbau her nicht auf detailliertes Erinnern angelegt und einmal dort abgelegte Informationen bleiben im Gehirn nicht unverändert. Es gibt nicht einmal einen „festen Ort“ für das Gedächtnis im Gehirn. Vielmehr verändern wir unsere Erinnerung an eine Tatsache, Situation, Begegnung, usw. umso stärker, je häufiger wir uns an etwas Vergangenes erinnern. Bei jedem Erinnern wird die vorhandene Information über das Vergangene „überschrieben“ und meist auch zur Abstimmung mit anderen, schon vorhandenen Erinnerungen ergänzt, wobei sich unweigerlich Fehler einschleichen. Gerade für die nachträgliche selektive Plausibilisierung ist der False-Memory-Effekt von großer Bedeutung. Erinnerungen können daher manipuliert und sogar recht schnell „neu erfunden“ werden.


Flexibilität
Bereitschaft, Neues zu lernen, seine eigenen Denk- und Verhaltensschemata zu korrigieren; Fähigkeit, sich auf ungewohnte/ fremde Situation schnell einstellen zu können, Spontaneität.


Fossilierung
die Erstarrung oder Versteinerung von Erfahrungen oder Routinen. Das Phänomen gibt es in der sprache (z.B. die „Versteinerung“ von Fehlern, die immer wieder gleich gemacht werden) ebenso wie in der Erinnerung und in bestimmten Einstellungen und Haltungen nach dem Mot-to: weil das einmal so war, wird es immer so sein. Die Fossilierung ist Voraussetzung für -> statische Annahmen.


Fraudekulturell 
In vielen Situationen der Begegnung mit anderen Kulturen wird heute eine künstliche Theaterwelt aufgebaut, die jedoch so „echt“ wie möglich wirken soll. In der wissenschaftlichen Diskussion wird dies unter dem Schlagwort der „staged authenticity“ diskutiert. Nicht nur der allergrößte Teil der weltweiten Tourismusindustrie wird in pseudo-fremden Phantasiewelten inszeniert und lebt von fraudekulturellen Scheinwelten. Auch die stereotypisierte Selbstdarstellung von Ländern, Städten und Firmen operiert vielfach mit gezielt gefälschten Bildern. Dazu gehört schon das Dirndl jeder Kellnerin in Bayern, die zuhause niemals freiwillig so her-umlaufen würde ebenso wie die mediale Selbstinszenierung vieler Institutionen, Kommunen und Länder auch außerhalb des Tourismus.
Geschieht die Inszenierung zur Herstellung von Identität, so sprechen wir von fraudekulturellen Erlebnissen. Geschieht sie jedoch aus kommerziellen Zwecken und wird extrem vereinfacht, weil die Konsumenten zu blöd sind, sonst die angebotenen kulturellen Marker über-haupt zu erkennen, sprechen wir im Unterschied zum Betrug (lat.: fraus, fraudis) von einer Verblödung (lat.: depravo verzerrt, verdreht, verunstaltet) und nennen dies -> depravokulturell.


Fremd
„Fern von“, „fort“ und „vorwärts“ sind die Bedeutungen des germanischen Wortstammes „fram-", aus dem sich unser „fremd“ ableitet. Deutlich ist der Bezug auf den Betrachterstand-punkt, das Eigene, ohne das es Fremdes nicht geben würde. Vgl. --> Selbstbild/ Fremdbild.


Fremdheit
ist nicht etwa eine Qualität des Fremden an sich, sondern vielmehr eine Relation zwischen dem Beobachter und dem beobachteten Fremden. Das bedeutet, dass etwas nicht an sich fremd ist, sondern es ist immer nur fremd für einen speziellen Betrachter. Dabei wird der beo-bachtete Andere durch den Beobachter aktiv „fremd gemacht“. Ein Mann in einem langen Rock ist in Burma überhaupt nicht fremd, aber in den Augen eines Deutschen ist er sehr fremd, sogar befremdlich (=sonderbar, ungewöhnlich, merkwürdig). Das heißt also, dass die Fremdheit im Anblick des Rockträgers erst in den Augen eines Betrachters entsteht, der übli-cherweise keine rocktragenden Männer um sich hat. Die Fremdheit existiert also nur in der Beziehung zwischen dem Betrachteten und dem Betrachtenden. 
Die erste Beschreibung von Fremdheit in Europa ist die Begegnung von Adam und Eva im Paradies, als die beiden von der verbotenen Frucht essen und „sehend werden“, also den bio-logischen Unterschied untereinander erkennen. Diese Szene hat nichts Sexuelles (das passiert erst außerhalb des Paradieses), sondern ist die europäische Ur-Erzählung von der Erkenntnis von Fremdheit: jemand ist anders als ich. Seit der Renaissance haben die vermehren Kontakte zu kulturell anderen Menschen das Bedürfnis nach einer Abgrenzung verstärkt. Je mehr Dy-namik und Unsicherheit eine Lebenssituation bestimmt, umso größer ist das Bedürfnis nach Orientierung, die man durch das „Fremdsetzen“ von anderen erreichen kann. (=> Othering)
Fremdheit wird immer von einem Betrachter konstruiert (=> Konstruktivismus) indem er et-was anders als nicht-zu-seiner-Welt-passend einordnet. Diese Konstruktion kann sich ändern, wenn sich der Betrachter an die ursprünglich fremde Person/Sache gewöhnt. Türkisches Essen wird heute in Deutschland kaum noch als fremd erfahren; vor 100 Jahren waren sogar die Tomaten noch „fremd“.


Fremdsprachenkenntnis
Sprache und Kultur bedingen sich wechselseitig, so dass die Kenntnis der Zielkultursprache auch über den reinen Höflichkeitsgestus hinaus unverzichtbar ist, um die Kultur verstehen zu können.


Frustrationstoleranz 
bezeichnet die individuelle Fähigkeit, Frustrationen zu ertragen, mit Rückschlägen fertigzu-werden und in schwierigen Situationen nicht sofort aufzugeben. Frustrationstoleranz kann bedingt auch erlernt oder verbessert werden; sie hängt aber auch von konstitutionellen Gege-benheiten des einzelnen Menschen ab. Die Frustration kann zu psychischen Spannungen füh-ren. Sie zeigt sich in äußeren Rückschlägen, Benachteiligungen oder enttäuschten Erwartun-gen (dann spricht man von äußerer Frustrationen) sowie der Nichtbefriedigung von inneren Wünschen (innere Frustrationen). Die Fähigkeit, das zu ertragen und über längere Zeit kon-struktiv damit umzugehen, ohne die objektiven Faktoren der Situation zu verzerren oder sie ändern zu können, ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das bei der Bewältigung von schwierigen Situationen – also oft auch bei interkulturellen Kontakten – hilfreich sein kann. Wie auch die Neugier oder die Ausdauer gehört sie zu den Eigenschaften von Menschen, die individuell angelegt sind.


Funktionalkulturell
Menschen, die man nach ihrer sprachlichen oder kulturellen Vorbereitung auf ferne Länder fragt, erklären oft den praktisch erfolgreichen Umgang mit dem Taxi, dem Supermarkt und dem Internet vor Ort für ausreichend. Für diese rein funktionale, oft durch Zeichensprache unterstützte oder sprachlose Kommunikation (die Preise im Supermarkt stehen am Produkt und werden an der elektronischen Kasse angezeigt) könnte man den Begriff des funktional-kulturellen verwenden.
Dieser Begriff unterscheidet sich von weitergehenden kulturellen Annäherungen durch die systematische Aufrechterhaltung einer sichtbaren und fortgesetzt kommunizierten Fremdheit und die kurzzeitige Perspektive. Ein funktionalkultureller Zugang ist typisch für Monteure oder Touristen, die nach kurzer Zeit wieder wegfahren, und die letztlich ihren lokalen Gegen-über nicht auf Augenhöhe begegnen wollen oder können.


G
Gedächtnis, kulturelles
Gemeinsamer Wissensvorrat eines Kollektivs, aus dem heraus Bedeutungen und Wirklich-keitskonstruktionen generiert werden. Jan und Aleida Assmann, die wesentlich zur theoreti-schen Profilierung des "kulturellen Gedächtnisses" beigetragen haben, sprechen auch von ei-nem "Archiv" tradierten Wissens. Das kulturelle Gedächtnis einer Gruppe ist kommunikativ vermittelt und repräsentiert in seiner Prozesshaftigkeit wesentlich die Erfahrungs-Erwartungs-Dialektik: Wirklichkeit wird auf der Grundlage tradierten Wissens gedeutet, und das Ergebnis des Deutungsprozesses wird als neue Erfahrung an die bestehenden Wissensvorräte "ange-dockt". Wie solche Tradierungsprozesse vonstattengehen, warum bestimmte Erfahrungen ei-nen besseren "fit" zu bestehenden Erinnerungs- "Netzwerken" bieten als andere, wird man im Einzelfall allerdings noch nicht einmal ansatzweise rekonstruieren können. Könnte man es, wäre man in der Lage, das kulturelle Gedächtnis einer Ethnie zu bestimmen, und das wird auch mit den bestentwickelten informationstechnologischen Mitteln nicht möglich sein.


Gini-Koeffizient
ist ein mathematischer Koeffizient, der von dem italienischen Mathematiker Corrado Gini entwickelt wurde. Er gilt in der Wirtschaftswissenschaft wie in der Soziologie als Maßstab für die Einkommens- und Vermögensverteilung einzelner Länder und somit als Hilfsmittel zur Klassifizierung von Ländern und ihrem zugehörigen Entwicklungsstand. Der Gini-Koeffizient liegt immer zwischen Null und Eins. Je niedriger er liegt, umso gleichmäßiger ist das Vermö-gen einer Gesellschaft verteilt. Der Gini-Koeffizient nimmt einen Wert zwischen null(bei einer absolut gleichmäßigen Verteilung des Vermögens: jeder hat gleich viel) und eins (wenn nur eine Person das komplette Einkommen erhält, d.h. bei maximaler Ungleichverteilung).


H
Habitus
Von dem französischen Ethnologen und Soziologen Pierre BOURDIEU geprägter Schlüsselbegriff kulturwissenschaftlicher Forschung. Bezeichnet wird damit das Verhalten in der All-tagskultur von Angehörigen bestimmter sozialer Schichten bzw. deren Lebensstil. Das Kon-zept des Habitus ist für die ikk ein Werkzeug von zentraler Bedeutung, weil es ermöglicht, frühere und ungenauere Konzepte wie „Klasse“ oder „Schicht“ nun genauer zu fassen. Der Habitus wird als Sozialverhalten von der Umgebung erlernt: Dazu gehören nicht nur die „soft skills“ wie das angemessene Benehmen in einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern auch die Vorstellung von der eigenen Rolle, von der eigenen Wichtigkeit und vom adäquaten Verhalten in der Öffentlichkeit. Habitus ist ein zentraler Bestandteil von -> sozialem Kapital.


Heimat
kann - wie jeder abstrakte Begriff - natürlich sehr unterschiedlich definiert werden. Ubi bene - ibi patria formulierten die Römer vor über 2000 Jahren – wo es gut ist, da ist die Heimat. His-torisch stammt der Ausdruck aus der Zusammensetzung von Heim und Od. Das ahd. Od heißt modern Sache, aber dieses „Sache“ wiederum bedeutet historisch nicht nur Ding und Gegen-stand, sondern auch Aufgabe und Angelegenheit. Heimat ist also eine Zuhause-Sache/Aufgabe. Heimat kann also als eine zu gestaltende Aufgabe aufgefasst werden, und wäre somit keines-wegs Gegensatz zu Weltoffenheit. Heimat oder Heim kann vielmehr als ein Ort verstanden werden, der gemeinsam gestaltet wird. In jedem Fall bedeutet das Wort im etymologischen Sinne nur "Zuhause, Wohnung, Wohnort für eine bestimmte Gruppe von Menschen, Ort für Zusammenkünfte". Der Begriff der Heimat hat viel weniger mit dem ideologischen Konstrukt der Nation oder dem rechtlichen Rahmen eines Staates zu tun, als gemeinhin unterstellt wird. Vielmehr bezeichnet der den gemeinsam gestalteten Ort der kulturellen Prägung (Enkulturati-on) und gegebenenfalls einen Ort einer kulturellen Neuprägung, die selbst aktiv mitgestaltet wird (Akkulturation). Insofern ist er konstitutiv für die Diskussion um interkulturelle Kompe-tenzen. Das sind sozusagen Heimat-Überwindungs-Kompetenzen.
Das deutsche Wort Heimat „die Sache, wo ich zu Hause bin / mich zu Hause fühle“ ist in eine andere Sprache nicht mit diesem Bedeutungshaushalt übersetzbar. [Susanne Scharnowski]. Der Begriff ist – entgegen eines wirkmächtigen Missverständnisses die meiste Zeit völlig un-politisch gewesen und knüpft letztlich an religiöse Vorstellungen an, die typischerweise in Kirchenliedern thematisiert werden. In Zeiten großer und radikaler Veränderungen, oder wenn der Fortschritt selbst zur Ideologie wird – Industrialisierung, Krieg, Globalisierung, Di-gitalisierung – wird der Begriff als Projektionsfläche für eine eigens dafür erfundene „gute alte Zeit“ missverstanden. Sie impliziert dann Vertrautheit, Überschaubarkeit, Bindung. 


Hermeneutik
ist ein wichtiger Bereich der Philosophie, dessen zentrale Frage ist, wie man etwas, eine Per-son, eine Situation oder eine Wahrnehmung angemessen verstehen kann. Der Name ist abge-leitet vom griechischen Götterboten Hermes, der eben fliegend Botschaften überbrachte (da-her die Flügelchen an seinen Füßen), und der Begriff der Hermeneutik wurde schon seit dem Mittelalter verwendet, allerdings zunächst immer nur um einen einzigen Text, nämlich die Bi-bel richtig auszulegen. Der Schritt vom „richtigen“ Verstehen zum „angemessenen“ Verstehen kann nur erfolgen, wenn man die Annahme aufgibt, dass es überhaupt nur EINE Wahrheit geben könnte. Dies gelang erst Hans-Georg GADAMER, der das Verstehen als eine dynami-sche und damit veränderliche Sinnesleistung beschrieb: Man selber versteht Personen oder Sachverhalte immer besser, je mehr man davon weiß und die Hintergründe kennt. Das Verste-hen ist also ein schrittweiser Prozess, der sich im -> hermeneutischen Zirkel entwickelt.
Eine Weiterentwicklung wäre die „enzyklische Hermeneutik“, die auch den eigenen => Blickwinkel reflektiert und außerdem auch fragt, wie das Fremde sich selbst, und wie es mich versteht. Man könnte dann hilfsweise vom Versuch einer „360-Grad-Hermeneutik“ sprechen.


Hermeneutischer Zirkel
ist die wiederholte Annäherung an eine Person oder eine Sache oder Situation um mehr darüber zu erfahren und diese besser (= angemessener) einschätzen zu können. Man nähert sich dem Gegenüber immer mit bestimmten Annahmen und einem bestimmten Vorwissen, das in der Hermeneutik als Vor-Urteil bezeichnet wird (hat nichts zu tun mit dem Vorurteil der ikk). Dieses Vor-Wissen kann man und soll man durch die Begegnung korrigieren lassen, indem man dazu lernt. Bei der nächsten Begegnung hat man schon mehr Vor-Wissen, das weiter ver-bessern kann, sodass das Verstehen immer besser, „richtiger“ und damit angemessener wird. Da jede Begegnung im Idealfall auf einer höheren Ebene des Vor-Wissens stattfindet, könnte man auch von einer hermeneutischen (Aufwärts)Spirale sprechen.


Heterokulturell
bedeutet „kulturell anders“. Aus der Sicht des Akteurs kann man kulturelle Zuschreibungen unterscheiden in die eigene Kultur, die als -> autokulturell gesehen wird und die andere Kultur, die als heterokulturell gesehen wird. [anders-kulturell – von ἕτερος = anders, ungleich].    
Wird dieser Kontakt nicht nur als „anders“, sondern als „fremd“ im Sinne von „nicht zu mir und meiner Gruppe gehörig“ wahrgenommen, so könnte man von einem -> xenokulturellen Kontakt sprechen [fremd-kulturell – von ξένος = fremd]. Der Unterschied zwischen „anders“ und „fremd“ ist wesentlich, denn ein Kollege aus meinem Büro ist zwar anders als ich (zum Glück!) aber nicht „fremd“. Fremdheit ist in diesem wissenschaftlichen Kontext keine qualitas, sondern ratio, also eine Beziehung.


High Context
ist eines der wichtigsten Konzepte in der Theorie der interkulturellen Kommunikation. Er geht auf Edward T. Hall zurück, der ihn in den 1950ern erstmals ausarbeitete. Dabei geht es darum, dass man in manchen Kulturen indirekter und vorsichtiger kommuniziert, während man in anderen Kulturen „frei heraus“ spricht. Ob man mehr oder weniger „durch die Blume“ spricht, Andeutungen macht, unklar und vage bleibt oder nicht, hängt letztlich immer von den Bedingungen der Kommunikation ab. Es bedarf keiner esoterischen „Erklärungen“ wie etwa der „Volksseele“ oder der „Mentalität“. Vielmehr gilt die einfache Regel: je besser ein rechtlich-zivilisatorisches System mich schützt – also vor allem ein funktionierender Rechtsstaat mit wenig Korruption und Vetternwirtschaft sowie allgemein zivilisatorische Institutionen – umso freier kann ich mich äußern. Je mehr meine individuelle Freiheit jedoch vom Wohlwollen Drit-ter abhängt, sei es ein Lokalpolitiker, die Mafia oder ein einflussreicher Verwandter, umso vorsichtiger und indirekter spreche ich, oder ich schweige sogar. Diesen politischen und recht-lichen Kontext stärker zu berücksichtigen und entsprechend vorsichtiger zu sein, nennt Hall folglich „hoch kontextualisiert“. Von den etwa 200 Ländern auf dieser Erde gelten nicht ein-mal 20 als echte, demokratische Rechtsstaaten. Die Kommunikation im high context ist also eher der Normalfall.


Homogenisierungs-Effekt: 
Dieser Effekt sieht auf den ersten Blick fast aus wie der -> Stereotypisierungs-Effekt, aber er unterscheidet sich dennoch von jenem: Während die Stereotypisierung postuliert: „Die Anderen sind alle gleich“, wird beim Homogenisierungs-Effekt behauptet: In der anderen Gruppe sind alle gleich, während es in meiner eigenen Gruppe große Unterschiede gibt. Es geht also darum, dass man Fremdbilder wesentlich weniger genau zeichnet als Selbstbilder. Beim Blick auf die eigene Gruppe werden wir für jede Aussage gleich ein Dutzend Ausnahmen finden.


I
Identität
kann man als Zugehörigkeit zu einer sozialen und kulturellen Gruppe verstehen. Sie besteht aus der eigenen Zuordnung zu einer Gruppe („ich bin einer von Euch“) wie auch zu der (un-freiwilligen) fremden Zuordnung („Du gehörst zu uns!“). Oft bezieht sich die Identität auch auf einen Ort, vor allem den Ort der eigenen => Enkulturation, der verbunden ist mit Erinne-rungen an Kindheit du Jugend, die dort erlernten Routinen und Werte. Identität hat in diesem Sinne immer eine historische Perspektive und verändert sich im Laufe des Lebens fortwäh-rend. Sie passt sich an, entwickelt sich, nimmt neue Anstöße auf und legt auch alte Elemente ab. Die konkrete Umgebung und die soziale Rolle sind zentrale Bedingungen, unter denen sich Identität unaufhörlich verändert.


Idiosynkratrische Mischformen
bilden sich, wenn Individuen durch den Kontakt mit anderen Kulturen einen jeweils individu-ellen Weg der Aneignung neuer Verhaltensmuster und Werte im Laufe ihrer =>Akkulturation finden. Jeder Mensch wird dabei individuell andere Mischformen entwickeln, die griechisch Idiosynkrasie (griech.: ἰδιοσυνκρασία, zusammengesetzt aus „Selbst-Eigenheit“ und idios „eigen, selbst“ und syn-krasis „Mischung) genannt werden. Eine Idiosynkrasie ist also die Ge-samtheit persönlicher Eigenheiten, Vorlieben und Abneigungen und die Mischung aus ur-sprünglich => enkulturierten und im Ausland zusätzlich => akkulturierten Verhaltensmustern, Normen und Werten kann als je individuelle Mischung, eben als Idiosynkratrische Mischform bezeichnet werden.


Individualismus
ist ein erstaunlich junger Begriff. Während das In-Dividuum das Un-Teilbare ist, also spätes-tens mit der Trennung von Adam und Eva mythologisch abgeschlossen ist, wurde der Begriff des Individualismus erst im 20. Jahrhundert modern geprägt. Die Grundidee des Individua-lismus ist eine Befreiungsidee. Die Befreiung des Einzelnen von vielen Zwängen wird als an-genehm empfunden, das Kollektiv als behindernd und beengend erlebt. Die Entwicklung des Individualismus hat eine Reihe von Voraussetzungen, die die => Enkulturation wesentlich beeinflussen. Dazu gehört vor allem das Vertrauen auf einen funktionierenden Rechtsstaat, der das ansonsten (vor Armut, Unrecht und Gewalt) schützende Kollektiv der Familie, Nachbarschaft, Ethnie, usw. ersetzen kann. Daher kann sich in westlichen Kulturen der Individua-lismus eher entwickeln, als in weniger rechtsstaatlichen Nationalstaaten. Wer aus einer staatlich abgesicherten Kultur kommt, muss also weniger Rücksicht nehmen und wird in weniger individualistischen Kulturen als egoistisch und rücksichtslos empfunden. Ulrich Beck hat den Begriff radikaler gefasst, wenn er moderne Individualisierung beschreibt als Prozesse erstens der Auflösung, zweitens der Ablösung industriegesellschaftlicher Lebensformen (Klasse, Schicht, Geschlechterverhältnisse, Normalfamilie, lebenslanger Beruf). Diese werden ermöglicht durch institutionellen Wandel in Form von an das Individuum adressierten sozialen und politischen Grundrechten. Dies führt zu Verhältnissen, in denen die Individuen ihre Biographie selbst herstellen und inszenieren.
Es gibt eine bemerkenswerte Theorie, die die Entwicklung des Individualismus mit der Jahr-hundertealten Tradition der Nahrungsgewinnung in Beziehung setzt. Hierbei wird unterstellt, dass Kulturen, in denen der => Reisanbau vorherrschend war (und ist) zwangsläufig in Teams zusammenarbeiten mussten.


Informationsverarbeitung (kontrollierte)
Die Eindrücke, die man bei der Wahrnehmung einer Situation oder Person hat, bestehen aus einzelnen Informationen. Diese können spontan (=> System eins) oder überlegt und kontrol-liert (=> System zwei) verarbeitet werden. Grundsätzlich neigen wir dazu, die meisten Ein-drücke spontan und ohne viel Überlegen zu verarbeiten. Dieser Prozess, der in der Psychologie von XXX als „System eins“ bezeichnet wird, hilft uns bei der Informationsverarbeitung der allermeisten Eindrücke. Er ist quasi „automatisch“. Ein wesentlicher Anteil dieser automati-schen Verarbeitung ist die Kategorisierung, die dem Individuum die Informationsverarbeitung in einer komplexen Umwelt erleichtert. Bei einem „automatischen“ Verarbeiten der Eindrücke basiert dieser Kategorisierungsprozess immer auf starken Vereinfachungen und Stereotypisie-rungen. Insofern sind Stereotype eine unvermeidliche Konsequenz eines vereinfachten Wahr-nehmungsprozesses und somit ein nützlicher erster Zugang zur Welt. Jedes Individuum erlernt in seiner Enkulturation die in seiner Kultur vorhandenen Stereotype und assoziiert diese automatisch mit der betreffenden Beobachtung. Es hängt vom Individuum ab, wieweit diese Ste-reotype auch Vorurteile und Diskriminierungen mit sich führen.
Durch Nachdenken (=> System zwei) kann das spontane Urteil in vielen Fällen korrigiert werden, was man dann eine „kontrollierte“ Verarbeitung der Eindrücke nennt. Um genügend Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, ist das Training der => Attributionssuspension von großer Bedeutung.


Inkompetenzkompensationskompetenz
ist die Kompetenz, mit der eigenen Inkompetenz umzugehen und diese weitestmöglich zu kompensieren. Der Begriff ist in der Kommunikation als Synonym für => Interkulturelle Kompetenz verwendet worden, da die Teilnehmer einer interkulturellen Kommunikation über unterschiedliche Wissensbestände verfügen, zwischen denen ein funktionaler Ausgleich herbeigeführt werden muss. Es geht also vor allem darum, kompensatorisch, optimierend, aus-gleichend und vielleicht sogar maximierend mit mangelndem Wissens umzugehen.
Erste Voraussetzung für die I. ist das Bewusstsein des Mangels an eigener Kompetenz.


Interkultur
Es handelt sich hierbei weniger um einen Raum als um einen Prozessbegriff: Interkulturen entstehen dann, wenn Beteiligte aus konzeptuell unterschiedlichen Lebenswelten A und B miteinander agieren bzw. kommunizieren. Interkulturen existieren dementsprechend auch nur in Abhängigkeit ihrer Beteiligten. Sie „ereignen“ sich: sie werden permanent neu erzeugt, und zwar im Sinne eines „Dritten“, einer Zwischen-Welt C, die weder der Lebenswelt A noch der Lebenswelt B vollkommen entspricht. Weil es sich um ein Handlungsfeld, um einen Prozess handelt, ist eine Interkultur also gerade nicht statisch als Synthese von A und B im Sinne eines 50:50 oder anderswie gewichteten Verhältnisses zu denken. Vielmehr kann in dieser Begegnung im Sinne eines klassischen Lerneffekts eine vollständig neue Qualität, eine Synergie, entstehen, die für sich weder A noch B erzielt hätten.
Die Interkultur existiert also nur in und während der Kommunikation und bleibt als Erinne-rung an diese – hoffentlich erfolgreiche und positive – Begegnung bestehen.
Die Metapher vom sog. „Dritten Ort“ ist daher zu kurz gegriffen, weil sie erstens wie jede => spatiale Metapher zu einfach ist und weil sie zweitens statisch ist. 


interkulturell - intrakulturell
Im Gegensatz zu „inter-„ verweist die Vorsilbe „intra-"nicht auf ein drittes „Dazwischen“, sondern auf ein „Innerhalb“. Im Sinne des weiten Kulturbegriffs ist damit folglich die Interak-tion zwischen Angehörigen von Subkulturen innerhalb eines Lebenswelt-Netzwerkes als intra-kulturell zu bezeichnen. Diese Differenzierung ist allerdings notwendig unscharf und muss es auch bleiben, weil die Grenzen zwischen Inter- und Intrakulturalität fließend sind. Erklärbar wird aber, dass und warum z.B. oberflächenstrukturell ein deutscher und ein chilenischer Bä-cker mehr Gemeinsamkeiten aufweisen und sich eventuell besser verstehen als der gleiche deutsche Bäcker mit seinem Nachbarn, einem deutschen Mathematiker.


Interkulturalität
ist eine Nominalisierung des Adjektivs „interkulturell“. Der Begriff ist erst seit 1986 in der deutschen Alltagssprache nachweisbar und erlebt eine Konjunktur um die Jahrtausendwende. Als Nomen bezeichnet er das Vorhandensein von interkulturellen Begegnungssituationen, die – je nach Definition – durch Austausch, Respekt und den Versuch der Empathie gekenn-zeichnet sein sollten. Ein bloßes Nebeneinander von Menschen aus verschiedenen Kulturen ist noch keine I. Kommunikation, in der Austausch auf Augenhöhe zwischen Menschen mit kulturell unterschiedlichem Hintergrund stattfindet, könnte man als interkulturelle Kommunikati-on bezeichnen – die Situation selber dann als „Interkulturalität in der Kommunikation. Einzel-ne Wörterbücher definieren das Wort als „Wissenschaftszweig“ oder als „Bewusstsein“; andere Wörterbücher verzichten darauf, das Wort überhaupt zu definieren. Das Gleiche gilt für die meisten Fachbücher. Solche Bemühungen zeugen davon, wie schwierig eine Definition als Nomen ist, weshalb man besser das Adjektiv => interkulturell verwenden sollte.


Interkulturell
Die gegenseitige Anerkennung der wechselseitigen Unverfügbarkeit ist das normative Prinzip interkultureller Begegnungen. Nur wenn sie sie auf Augenhöhe und mit dem grundlegenden Respekt, nicht über den Anderen (als Unterlegenen, Kolonisierten, usw.) verfügen zu können, entwickelt, kann eine kommunikative Situation als „interkulturell“ bezeichnet werden. Die Beteiligung von Personen aus mehreren Kulturen alleine macht eine Situation noch nicht interkulturell. 


Interkulturelle Trainings und Übungen
In Deutschland befasst man sich erst seit den achtziger Jahren intensiver mit der Konzeption interkultureller Lernprogramme. Auch die Zahl der ausgebildeten Trainer ist noch relativ gering, da entsprechende Studiengänge ebenfalls erst ab den späten achtziger Jahren eingerichtet wurden.
Nachstehende Übersicht über die derzeit am häufigsten verwendeten Trainingstypen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient eher der Orientierung. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Trainings, die abgekoppelt von der Arbeitssituation stattfinden (etwa im Sinne von Weiterbildungsmaßnahmen: „off-the-job“) und Trainings- bzw. Betreuungsmaßnahmen, die vor Ort am Arbeitsplatz durchgeführt werden („on-the-job“).
Trainings-off-the-job wiederum werden inhaltlich danach kategorisiert, ob sie allgemein-kultursensibilisierend oder kulturspezifisch ausgerichtet sind. Methodisch unterscheidet man zwischen konventionellen dozentenbezogenen und eher teilnehmerzentrierten, erfahrungsorientierten Unterrichts- bzw. Seminarformen:                                                                                  Interkulturelle Trainings

 

Welche der Trainingstypen im Einzelfall gewählt werden, hängt nicht zuletzt von der Zielgruppe und den Trainingsbedingungen ab. So werden beispielsweise Rollenspiele mit fiktiven Handlungskontexten von Führungskräften erfahrungsgemäß weniger akzeptiert als von Ju-gendlichen, während letztere nicht unbedingt für kulturtheoretische Fragestellungen zu begeistern sind.


Interkulturelle Lernbereitschaft
Bereitschaft, interkulturelle Situationen als Lernsituationen und nicht als Bedrohung oder notwendiges Übel betrachten. Dies sollte verknüpft sein mit einer Neugierde auf Fremdes.


Internationalish
ist ein sprachwissenschaftlicher Begriff, der die heute weltweit verwendete Hilfssprache bezeichnet, die im globalen Management fälschlich als „Englisch“ bezeichnet wird. Synonyme sind „Globish“ oder „McLangauge“ ebenso wie „Conference English“ o.ä. 
Die als Internationalish bezeichnete Hilfssprache unterscheidet sich von Englisch (und ande-ren Sprachen) erheblich. Ihre typische Anwendungssituation ist dadurch gekennzeichnet, dass kein Muttersprachler des Englischen anwesend ist (z.B. spricht ein deutscher Manager mit seinem chinesischen Zulieferer und seinem französischen Kunden auf Internationalish) und dadurch einerseits eine extrem hohe Fehlertoleranz besteht und andererseits keine korrigierende Rückmeldung erfolgt: Man spricht „fließendfalsch“ und ist damit zufrieden.
Außerdem hat diese Hilfssprache nur ein sehr begrenztes Vokabular (je nach Anwendung ca. 1000 bis 2500 Wörter) aus dem englischen Sprachschatz, der allgemeinsprachlich schon über 300.000 Wörter umfasst. Wegen dieses sehr geringen Wortschatzes muss vieles über => Kontextualisierung oder => Deixis präzisiert werden. In der Industrie werden viele zentrale Inhalte der Kommunikation über Zahlen und Daten, Zeichnungen, => Piktorials usw. vermittelt, weshalb der Einsatz der Sprache nur eine Hilfsfunktion hat.


K
Katakulturell
In erstaunlich vielen Fällen lässt sich beobachten, dass Personen, die von ausgeprägten -> heterokulturellen oder -> transkulturellen Umgebungen beeinflusst werden, das als Bedrohung ihrer -> autokulturellen Identität erfahren. Sie reagieren dann mit einer Verstärkung der eige-nen Bedeutungsmuster auf diese Bedrohung, die gegenläufig zur Globalisierung und zur An-gleichung der Dingwelten ständig wächst. Die – teilweise durchaus bewusste – Verstärkung der autokulturellen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster nennen wir katakulturell. Dies gilt für international erfahrene Personen ebenso wie für Menschen mit wenigen Kontakten außer-halb ihrer eigenen Kultur. Die meisten international tätigen Manager haben das durchaus schon an sich selbst beobachtet, dass sie z.B. im Ausland so deutsch sind, wie sie es zuhause niemals wären. Unsicherheit in der Kommunikation führt meist nicht zu metakommunikativen Explorationen, sondern zur Verstärkung eingeübter Muster und damit zur Zuspitzung latenter Konflikte. Katakulturelles Verhalten ist typisch da, wo Landsleute in der Diaspora zusammen-sitzen. Bayerisches Bier im Deutschen Club in Shanghai und Dirndl im deutschen Club in Mexiko-Stadt. xxx 


Kategorisierung
So nennt man den Prozess, in dem einzelnen Menschen soziale (und andere) Wahrnehmungen und Eindrücke identifizieren und gedanklich ordnen. Einzelne Reize/Wahrnehmungen werden mit anderen, ähnlichen Reizen zu “Mitgliedern” einer Kategorie gemacht, während unähnliche Reize zum Bestandteil einer anderen Kategorie werden, wenn sie entsprechend viele Gemein-samkeiten aufweisen. Je globaler eine Kategorie gefasst wird, umso mehr Reize lassen sich dieser Kategorie zuordnen, wobei bei dieser eher undifferenzierten Betrachtung viele spezifi-sche Informationen über diese eine Wahrnehmung verlorengehen, so dass eine effiziente In-formationsverarbeitung unweigerlich mit einem Informationsverlust einhergeht. Entsprechend sind Fehleinschätzungen und Stereotype eine Folge dieses Kategorisierungsprozesses (=> Stereotypengenauigkeit). Neben ihrer Zuordnung zu globalen Kategorien scheinen Reize im Ge-dächtnis in noch differenzierterer Weise in Form von Subkategorien repräsentiert zu sein. So wird bspw. die globale Kategorie “Frau” in Subkategorien wie bspw. “Hausfrau”, “Karrierefrau”, “Emanze” oder “Schickimicki-Braut” unterteilt (Eckes, 1997). Die damit in Verbindung gebrachten Merkmale, die sogenannten Substereotype, stellen mentale Repräsentationen der spezifischen Kategorien dar. Die Existenz von Substereotypen wird von Untersuchungsergeb-nissen gestützt, wonach bspw. Stereotype über “Frauen” in Abhängigkeit von anderen Fakto-ren – ethnischer Zugehörigkeit, Status oder Alter – variieren.


Klischee
Der Fachbegriff Klischee geht auf das französische Cliché zurück ist die Bezeichnung für die Nachbildung eines Originals in irgendeinem Produkt (ursprünglich waren das z.B. Druckstempel aus Holz, Kupfer, Messing, Zink usw.), die geeignet ist, in der Buchdruckpresse als Druckstock benutzt zu werden. So wurden zum Beispiel von Holzschnitt-Bildern und anderen Illustrationen Klischees angefertigt, die dann wie einzelne Bleisatzlettern in einer Hochdruck-vorlage eingesetzt werden konnten. 
Ausgehend von dieser Erstellung immer gleicher Kopien einer Vorlage steht Klischee heute allgemeinsprachlich und meist eher abwertend für eingefahrene Vorstellungen.  
Klischees sind also wie Stereotype, aber schon als zu primitiv erkannt.


Knigge
Adolph Freiherr Knigge (1752 - 1796) war ein deutscher Aufklärer. Bekannt wurde er vor allem durch seine Schrift Über den Umgang mit Menschen. Sein Name steht heute stellvertretend, aber völlig unzutreffend (!), für Benimmratgeber, die mit Knigges eher soziologisch ausgerichtetem Werk im Sinne der Aufklärung nichts gemeinsam hat.
Sein Ziel war es vielmehr, allen Menschen den gleichen Zugang zum „richtigen Benehmen“ und damit zum sozialen Aufstieg zu verschaffen. Knigge war – in einer spätbarocken und streng hierarchischen Umgebung – eigentlich ein Revolutionär und sozialer Aufklärer wie es nur wenige in der deutschen Geschichte gibt. Seine Verachtung für die ständische Gesellschaft kostete ihn selbst mehrfach die Stelle bei Hof.
„Knigge“ wird heute oft als Bezeichnung für eine Sammlung von (meist weder begründeten noch erklärten) Verhaltenshinweisen verwendet. In Zusammenhang mit einem Land spricht man vom „Japan-Knigge“ oder „Russland-Knigge“ und meint damit meist die aus westlicher Sicht wichtigsten Unterschiede zu => Normalitätsannahmen im alltäglichen Verhalten.


Kognitive Dissonanz
Dieser Effekt kann bei jeder Form von Wahrnehmung auftreten, wenn unangenehme Informa-tionen – das ist z.B. eine schwierige Fehlersuche in einem fremdkulturellen Umfeld – zu er-warten sind und verarbeitet werden müssen. Worum geht es? Erkenntnisse eines Individuums über seine Umwelt nennt man Kognitionen. Einzelne Kognitionen können in einer Beziehung zueinander stehen. Wenn Sie also mehrere Dinge wahrnehmen bzw. mehrere Faktoren eines Problems erfahren, die sich gegenseitig infrage stellen, sich widersprechen oder sich gar aus-schließen, so kann die sogenannte kognitive Dissonanz entstehen. Dies ist ein negativer Ge-fühlszustand, den wir spüren, wenn wir nicht vereinbare Wahrnehmungen, Gedanken, Mei-nungen oder Absichten haben. Eine kognitive Dissonanz kann z.B. dann auftreten, wenn wir uns nach einer Fehlermeldung für die Überprüfung eines Prozessschrittes in der Fertigung ent-schieden haben und nach der Anweisung zu dieser Überprüfung Informationen erhalten, die die Richtigkeit unserer Entscheidung in Frage stellen. Ein Beispiel: Sie haben schon länger ein Qualitätsproblem an einem Standort und entscheiden sich, einen Mitarbeiter dorthin zu schi-cken, zu dem Sie volles Vertrauen haben. Nachdem der Mitarbeiter vor Ort ist, erfahren Sie vielleicht sogar zufällig, dass dieser Mitarbeiter in einem ähnlichen Fall völlig versagt hatte. Das Erleben dieser Dissonanz führt zum Bestreben bei Ihnen, diesen Spannungszustand abzu-bauen, indem selektiv Informationen gesucht werden, die die Dissonanz aufheben. Sie gehen also wahrscheinlich davon aus, dass diese „alte Geschichte“ ein Einzelfall war. Im weiteren Verlauf bekommen Sie QM-Zahlen aus dem Standort, die eher noch schlechter werden. Sie unterstellen, dass diese Zahlen vermutlich falsch erhoben wurden. Schließlich bekommen Sie einen Bericht von Fehlern, die Ihr Mitarbeiter dort gemacht hat, aber wegen der starken kogni-tiven Dissonanz in Ihrer Wahrnehmung („guter Mann, meine Entscheidung, wird schon pas-sen“) ziehen Sie es vor, den Bericht nicht genau zu lesen. Sie haben so viel andere Dinge zu tun. Das kann so weit gehen, dass eine Umgebung aufgesucht wird, in der sich die Dissonanz verringert. Nach der Theorie der kognitiven Dissonanz werden Sie alles tun, um Ihre Ent-scheidung vor sich zu rechtfertigen und nicht allzu viele negative Gefühle aufkommen zu las-sen.


Kognitive Verzerrung (cognitive bias)

 

Kommunikationsfähigkeit
Vermögen, initiativ auf andere zuzugehen und Kommunikationsnetzwerke errichten zu kön-nen. Dies gilt vor allem dann, wenn Situationen problematisch erscheinen und man sich am liebsten zurückziehen würde. 
Komparatistik
ist eine wissenschaftliche Methode, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Literaturen, symbolischen Ordnungen, Kulturen, Philosophien und Religionen systematisch zu untersu-chen. Die Verfahrensweisen der etablierten Komparatistik sind oft problematisch, weil der Anspruch, vergleichen zu können, nur allzu oft aus den Augen verliert, dass der Vergleichen-de bereits selber eine bestimmte Perspektive einnimmt. Eine rigorose Selbstaufklärung über den eigenen => Sehepunkt (Chladenius) wäre eigentlich die unabdingbare Voraussetzung für jede Komparatistik. Intrakulturelle Varianten werden bei dem Bemühen um einen => Prototyp oft ignoriert. Die methodisch zentrale Frage, wo der Vergleichsmaßstab, mit dem gemessen wird, seine (kulturelle) Verankerung finden könnte, bleibt in der Regel unbeantwortet.


Kompetenz
ist ein Begriff, der für die interkulturelle Kommunikation von zentraler Bedeutung ist. Dabei wird der Begriff exzessiv und inflationär verwendet uns wird oft zur Beschreibung von Fähigkeiten und Fertigkeiten verwendet. Fähigkeiten und Fertigkeiten sind jedoch keine Kom-petenzen, sondern höchstens Teile von Kompetenzen. Tatsächlich meint der Kompetenzbegriff, dass man in (oft) neuen Situationen bei unzureichender Information, aber unter Einsatz der Kognition einen gewissen Grad an reflektierter Handlungsfähigkeit erwirbt. Diese Hand-lungsfähigkeit bedarf einerseits einer ethischen Grundlage, in der z.B. die => aktive Toleranz eine zentrale Rolle spielen kann. Sie bedarf zugleich auch vieler Fähigkeiten, wie z.B. der Ge-duld im Umfang mit unverständlichen Signalen, der Fähigkeit zu vereinfachen oder z.B. mit Frustration in der Kommunikation umzugehen, der Fähigkeit ein Gegenüber trotz erkennbar nicht geteilter ethischer Werte dennoch für die Zeit der Kommunikation zu ertragen, und Vie-les mehr. Wenn aus einer Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten diejenigen zusammengestellt werden, die das Verstehen von und die Kommunikation mit anderskulturellen Partnern er-leichtern, dann spricht man in der Summe von => interkultureller Kompetenz.


Kompetenz, kritische
beschreibt die Fähigkeit, prüfend (criticare) die Auswahl, die Bewertung und die Kontextualisierung des Wahrgenommenen zu regeln. Vor dem Hintergrund des => Konstruktivismus geht man davon aus, dass tatsächliches Fremdverstehen nur angemessen möglich wird, wenn der Verstehende seine eigenen => Normalitätsannahmen genauso als kulturspezifisch konstruiert versteht wie die Annahmen der anderen. Die Konstruktion jeder Normalität – der eigenen wie der fremden – basiert auf Konstruktions- und Produktionsprozessen, die vom kognitiven System des Lerners bewältigt werden müssen. Die kritische Kompetenz, also sozusagen der ge-ordnete Umgang mit Wahrnehmungen, die nicht in das eigene Weltbild passen, ist eine Voraussetzung für den =>Perspektivwechsel, in dem man versucht, die Perspektive des Anderen, seine Weltsicht und seine Werte möglichst zu verstehen. Das bedeutet übrigens nicht, dass man sie auch teilt. Kritische Kompetenz ist also notwendig für die Erkenntnis der eigentlich relationalen Qualität der diffusen Kategorie ‚Fremdheit‘ in deren Fokus, „Differenzen, Dis-tanzen, Verschiedenheiten, Unterschiede“ (Krusche 1985:13) stehen. Nicht das Fremde an sich steht im Mittelpunkt, sondern der Bezug zum Eigenen, mit dem kritisch kognitiv umgegangen werden soll.


(Interkulturelle) Kompetenzen



Komplexitätsreduktion
bedeutet, dass wir die vorfindliche Wirklichkeit wahrnehmen und dabei zu einem Bild „zu-sammenbauen“, mit dem wir umgehen können. Unsere Modelle von der Welt sind niemals so komplex wie die Welt, sondern vereinfachen diese immer. Je stärker wir vereinfachen, umso leichter ist das Modell zu verstehen und umso falscher ist es. 
Das Ziel der Komplexitätsreduktion ist es, die Welt beschreibbar und verstehbar zu machen. Leider werden in den meisten Fällen die vorfindlichen Situationen zu stark vereinfacht, was das entstehende Modell zwar sehr ansprechend und attraktiv macht, aber zugleich völlig un-tauglich. Sehr stark vereinfachte Modelle sind attraktiv, weil sie leicht zu verstehen sind, aber sie sind so weit weg von der Wirklichkeit, dass sie diese nicht einmal schemenhaft abbilden, sondern vielmehr (stark) verzerren. Wenn wir also glauben, wir hätten etwas verstanden, weil es so schön einfach war, dann war nur das Modell von der Wirklichkeit einfach, aber nicht die Wirklichkeit. Unser anschließendes handeln passiert aber nicht in unserem schönen, übersicht-lichen Modell, sondern in der Wirklichkeit und ist daher oft nicht angemessen.


Konformität
Einzelne Menschen handeln immer als Mitglieder sozialer Gruppen und zeigen Uniformität und Anpassung an die Vorgaben der Mehrheit der anderen Gruppenmitglieder. Dies lässt sich in gemeinsamer Kleidungsordnung, sozial geteilten Normen und Moralvorstellungen, der Firmenphilosophie, der gemeinsamen Vorstellung von Lob und Tadel, von Verantwortung oder von Kommunikation oder Kritik beobachten. Der in einer Gruppe herrschende Konsens bestimmt, was erwartet wird und was als "normal" gilt. Schon seit den 1930ern ist dieses Phä-nomen gut erforscht (Sherif 1935) und es wird in der Zusammenarbeit in internationalen Teams immer wichtiger, weil z.B. große Firmen durch ihre -> Unternehmenskultur verlangen, dass sich Mitarbeiter konform zu einer Kultur verhalten oder gar fühlen sollen, die weder ihre eigene ist, noch vielleicht diejenige des Landes, in dem sie gerade arbeiten. Die multiplen Konformitätsforderungen führen in internationalen Teams zu erheblichen Belastungen und Loyalitätskonflikten.


Konsens
Das Ziel interkulturellen Handelns liegt nicht darin, einen Konsens „um jeden Preis“ zu fin-den. Diese häufig vertretende Meinung kann dazu führen, dass sich mindestens einer der Beteiligten in eine Zwangsjacke gezwängt fühlt und damit aber auch seine eigene Identität nicht mehr entfalten kann. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, zwar im Sinne der Bedeutung des lateinischen Wortes communicare „gemeinschaftlich zu handeln“, dabei aber kulturelle Diffe-renzen durchaus bewusst zu halten und sich darüber zu verständigen. 


Konstruktivismus

 

Kontakthypothese
In den 1960ern entstand die hoffnungsfrohe Idee, Menschen würden etwas über andere Kulturen lernen, bloß weil sie eine Grenze überschreiten und sich kürzer oder länger dort aufhalten. Leider hat die => Austauschforschung in umfangreichen Studien nachweisen können, dass diese Annahme naiv ist. Solange die Beobachtungen als => selektive Wahrnehmung erfolgen, und man vor allem nur das sieht, was die vorgefertigten Vorurteile als Erwartungshaltung bereits vor der ersten echten Fremdbegegnung als Wahrnehmungshorizont aufgespannt haben, solange wird man sich dem Anderen nicht einmal annähern. Tatsächlich kommen sehr viele Menschen in der Fremdbegegnung über die naive und unreflektierte Begegnung nicht hinaus, wenn sie nicht vorbereitet, begleitet und hinterher zum Nachdenken angeregt werden. Die Diskussion der Kontakthypothese wird oft stark verkürzt um die vier Voraussetzungen, die der Autor (Allport) definierte: Die Personen in der Kontaktsituation (1) verfolgen koope-rative Ziele, (2) sind von gleichem Status, (3) müssen miteinander interagieren, um ihre Ziele zu erreichen, und der Kontakt wird (4) von Autoritäten unterstützt. Aber selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, erfolgt Kulturlernen nicht ohne weiteres. Die Beobachtung, dass Menschen in Kontakt mit anderen Kulturen oftmals positiver gegenüber diesen Kulturen sind, muss nicht kausal mit der Begegnung zu tun haben. Es könnte auch genau umgekehrt sein.


Kontingent / Kontingenz
bedeutet „zufällig“, „historisch zufällig so entstanden“. Viele Traditionen, Formen der Wahr-nehmung, des Bewertens und des Handelns haben einen historischen Hintergrund, den heute niemand mehr kennt. Sucht man genauer nach, stellt sich entweder heraus, dass die ursprüng-liche Begründung schon lange => obsolet geworden ist (also nicht mehr gilt, veraltet ist), oder gar, dass etwas durch irgendeinen sehr speziellen Zufall ohne weitere Begründung so entstan-den ist. Das gilt für rituale ebenso wie für Rechtschreibung oder viele andere Dinge.


Korrelat
ist eine Beziehung zwischen zwei Begriffen, die voneinander abhängen xxxx


Kultur
Das Wort „Kultur“ steht für eine ganze Reihe von unterschiedlichen Konzepten, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, sich meist widersprechen, von sehr unterschiedlicher Komplexität sind, und die miteinander um Deutungshoheit ringen. Gemeinsam ist allen Kon-zepten, dass es nur gedachte und theoretische Annahmen sind, die Gemeinsamkeiten in einer je unterschiedlich weit gefassten Gruppe von Mitgliedern oder „Trägern“ dieser Kultur zu konstituieren versuchen. Jede Definition, die mit „Kultur ist …“ beginnt, kann unmittelbar als unwissenschaftlich und laienhaft verworfen werden.
Grundsätzlich kann man die vorfindlichen Konzepte in fünf Gruppen ordnen: ① Materialisti-sche Konzepte orientieren sich an der Gesamtheit von Artefakten als hervorgebrachte sinnrepräsentierende Leistungen einer Gesellschaft. Die Herrschaft bzw. Deutungshoheit über sol-che Artefakte macht diese oft zum Instrument sozialer Distinktion / Ausgrenzung. Das ist u.a. typisch für den spezifisch deutschen, bildungsbürgerlichen Kulturbegriff (klassische Musik, kanonisierte Literatur, usw.). ② Immaterielle Konzepte fokussieren vor allem auf kollektiv geteilte Werte, Routinen und Normen, die als Handlungs- und Verhaltensursachen von den Mitgliedern der Kultur nur selten analysiert werden. Ethnographische Beschreibungen haben traditionell solche Konzepte genutzt. Typisch wäre etwas der weitgehend geteilte Glaube an eine gemeinsame Abstammung oder eine gemeinsame Über- oder Unterlegenheit (god’s cho-sen people, ..) oder andere selbstzugeschriebene Charakteristika. ③ Funktionalistische Ansät-ze schließlich betrachten Kultur unter handlungstheoretischen Aspekte. Kultur wird hier als Wahrnehmungs-, Orientierungs- und Handlungssystem verstanden, das für die soziale Praxis einer Gesellschaft, Organisation oder (Berufs-)Gruppe notwendig ist. Kultur in funktionalisti-scher Perspektive stellt ein Regelwerk von Werten, Konventionen und Interaktionsmustern dar, das kollektiv geteilt wird und an dem die Mitglieder einer Gruppe ihr alltagsweltliches Handeln nicht hinterfragend ausrichten. ④ Die meisten Kulturkonzepte stellen eklektische Mischformen aus den drei Grundformen dar, die materielle Leistungen, geteilte Werte und Routinen und handlungstheoretische Aspekte verbinden. ⑤ Seit den 1990ern wird außerdem eine Reihe von neglegtischen Konzepten diskutiert, die einen irgendwie kohärenten Kulturbe-griff überhaupt ablehnen und mit verschiedenen theoretischen Ansätzen zu ersetzen suchen, welche intellektuell überaus interessant, aber zugleich weit weg jeder Realität im Arbeitsleben sind. Selbstverständlich gibt es Individuen, die sich den Wahrnehmungs-, Orientierungs- und Handlungssystemen ihrer Gruppe verweigern, die sich vielen Systemen zugehörig fühlen, usw. aber das ist in der alltäglichen Begegnung eher eine Seltenheit.
Für unsere Zwecke ist ein handlungstheoretisch begründeter, ethnologisch/soziologisch konsti-tuierter Kulturbegriff als Arbeitshypothese sinnvoll, der als offenes System aus verschiedenen (dynamischen) Faktoren angenommen wird: Kultur verstehen wir hier als ein meist kollektiv geteiltes, offenes, dynamisches und in sich teilweise widersprüchliches, konstruiertes (→ Kon-struktivismus) System, das (a) geteilte Wahrnehmungsmuster, (b) gemeinsame Werte, (c) Normen und (d) ähnliche oder gleiche Handlungsroutinen innerhalb eines (e) homogenisieren-den staatlichen Systems (einschließlich seiner Erzwingungsmechanismen) sowie konkrete (f) Verhaltensmuster und –regeln einer Großgruppe (z.B. der Bürger eines Landes) mit (g) sym-bolischen Verdichtungen z.B. in Helden oder Erinnerungsorten und einem (h) kollektiven Ge-dächtnis (einschließlich einer oft angenommenen gemeinsamen Geschichte) beschreibt. Diese acht Elemente werden von den meisten Mitgliedern einer Kultur im Wesentlichen geteilt, was die Orientierung und das Handeln in der gemeinsamen Kultur einfacher und vorhersagbarer macht, und sie sind historisch, religiös, sozial, usw. begründet und vielfach auch nur zufällig zustande gekommen.     
Da mit dem Grad der Abstraktion auch der Zuwachs an Komplexität steigt, sind allgemeine Aussagen über eine Kultur immer nur sehr unsichere und heuristische Annahmen, aus denen sich auch durch mathematische Modelle kein sicheres Wissen generieren lässt. Wer solches behauptet, dem fehlt die wissenschaftliche Grundlage, da seine Annahmen nicht hinreichend geklärt sind. Was man aber sehr wohl beobachten, messen und erklären kann, sind die in einer Kultur mehrheitlich praktizierten Standards von Wahrnehmen, Bewerten und Handeln, die sogenannten => Kulturstandards.
Das grundlegende, erste Element in dieser Definition sind geteilte Werte (etwa wie der Be-griff Moral = lat. mos, mores: Sitten und Gebräuche), die von den meisten Kulturträgern zwar in ihrer applicatio, nicht aber in ihrer Genese oder Begründung erklärt werden können. Das zweite Element einer Kultur sind die faktischen Gegebenheiten an ihren Wirk-Orten, die eine Basis für alles Handeln sowohl historisch als auch aktuell sind. Dazu gehören von der Bevöl-ke¬rungs¬dichte über den Urbanitätsgrad bis zu Wetterbedingungen und der Vermögensvertei-lung in einer Gesellschaft, von der Alphabetisierungsquote über die Pressefreiheit bis zur Rechtssicherheit, usw.. Aus den (I) Werten und den (II) Fakten sowie der Geschichte einer Großgruppe ergibt sich ein staatliches (oder in Failed States ein tribales) System von Rechts-normen und Durchsetzungsinstanzen als Handlungsrahmen für die Kultur. 
Die oft unsichtbare Summe von Fakten, Normen, impliziter Anerkennung derselben und histo-rischer Entwicklung bildet das zivilisatorische (d.h.: staatliche, juristische, usw.) System, in dem alle Individuen handeln. Innerhalb des zivilisatorischen Rahmens (Staat, Gesetze) und des spezifischen kulturellen Umfeldes (Situation) entfalten sich die von den Individuen be-folgten konkreten Verhaltensregeln, die teilweise sichtbar sind. Sie können z.B. in Trainings teilweise erlernt werden und bilden oft den Hauptteil der Annäherung an eine fremde Kultur, die sog. „Dos and don‘ts“.


Kulturbegriffe
Im Gegensatz zu dem zumeist auf Kunst und "Geisteskultur" eingegrenzten engen Kulturbegriff des Feuilletons, bezieht sich der erweiterte Kulturbegriff eher auf allgemeine lebenswelt-liche Zusammenhänge. Hierzu zählen Religion, Ethik, Recht, Technik, Bildungssysteme, mate-rielle und immaterielle Produkte ebenso wie Umweltprobleme. Ein solcher erweiterter Kultur-begriff wird durch Eingrenzungen z.B. auf nationale und geographische Territorien oder auf bestimmte Zeit-Räume geschlossen und fungiert damit gleichzeitig als Abgrenzungsbegriff. Vor dem Hintergrund der beginnenden Auflösung nationalstaatlicher Strukturen und der ver-stärkten Etablierung transnationaler Organisationen wird gegenwärtig vielfach ein offener Kulturbegriff favorisiert. "Kulturen" werden in diesem Verständnis durch beliebige, mehr oder minder große Kollektive repräsentiert, die nach außen durch offene Netzwerkverbindungen charakterisiert sind. Eine Community im Internet stellt in diesem Sinne ebenso eine "Kultur" dar, wie es bei einem Nationalstaat der Fall ist. Durch den offenen Netzwerkcharakter der jeweiligen Kollektive wird vor allem die Prozesshaftigkeit und Wandelbarkeit von "Kulturen" betont.


Kulturbegriff, eng
„Kultur“ wird auch heute vielfach immer noch als Repräsentant des Schönen, Wahren und Guten verstanden. Der Begriff ist damit eingeengt auf die zweite Bedeutung von „cultura“: auf Kunst und Geisteskultur. Ein solcher enger Kulturbegriff beinhaltet immer auch das Be-mühen um Abgrenzung gegenüber allem demzufolge „Nicht-Kultivierten“, wozu nicht zuletzt auch die „Massenkultur“ (H. Marcuse) zählt. Dass gerade mit diesen Argumenten immer noch soziale und politische Machtverhältnisse begründet und Kriege geführt werden, zeigt die Problematik und Gefahr, die mit der Verwendung des engen Kulturbegriffs verbunden ist.


Kulturbegriff, operationalisierbar
um mit dem Begriff „Kultur“ praktisch arbeiten zu könne, muss man ein begriffliches Modell schaffen, das so weit vereinfacht ist, dass es benutzbar, also operationalisierbar wird. Solche Vereinfachungen sind immer notwendig, sind aber auch immer kritisch. Erstens werden die Modelle meist zu simpel, zweitens werden sie irgendwann mit der wirklichen Wirklichkeit verwechselt (die sie ja nur abbilden sollen) und drittens ändern sich auch die Moden in der Modellbildung (nicht nur in der Kleidung). In der Regel wird mit spatialen (räumlichen) Mo-dellen gearbeitet. Diese eignen sich sehr gut für die schnelle Darstellung in Lehre und für Trainings (meist zweidimensionale Bilder von Kreisen und Rechtecken), aber sie verfehlen die Komplexität von Orientierungssystemen ganz offensichtlich. Brauchbare Metaphern für Kul-tur, die nicht zu stark vereinfachen würden, ohne zugleich unübersichtlich zu werden, gibt es bis heute nicht. Werden einzelne Handlungsfelder oder spezielle Situationen gesondert betrachtet, lassen sich z.B. durch Überlappung von kulturellen, situativen und individuellen Ein-flüssen recht brauchbare spatiale Metaphern bildlich darstellen.


Kulturblindheit
beschreibt die Unfähigkeit (Blindheit), kulturelle Aspekte als (vielleicht wesentliche) Elemente für die Erklärung von oberflächlich unverständlichen oder überraschenden Formen der Wahr-nehmung, Beurteilung oder des Handelns zu erkennen oder anzuerkennen. Wenngleich nicht alle beobachteten => Critical Incidents auf kulturelle Ursachen zurückzuführen sind, sondern auch simple Missverständnisse oder z.B. sprachliche Ursachen => LAC der Grund für Miss-verständnisse sind, so lässt sich doch nur selten ausschließen, dass (auch) kulturelle Prägungen und Eigenheiten der Grund für spezfische – insbesondere sich wiederholende – Missverständ-nisse sein können. Wer die Augen fest verschließt vor der Tatsache, dass die => Enkulturation unsere Wahrnehmung, Werte und Handlungsroutinen stark beeinflussen kann, der ist „kultur-blind“.


Kulturdimensionen, hermeneutische
Der Begriff geht zurück auf Edward T. Hall. Er hatte in den 1930ern bei den Hopi-Indianern geforscht, war im Zweiten Weltkrieg mit sehr unterschiedlichen Kulturen zusammengekom-men, und arbeitete Anfang der 1950er im Foreign Service Institute des U.S. Department of States und bereitete dort Diplomaten auf Auslandsaufenthalte vor. Hall hat in dieser Zeit ver-sucht, seine vielfältigen Erfahrungen mit extrem unterschiedlichen Kulturen (Indianer in Arizona und Diplomaten in Washington) zu systematisieren. Dabei entstand die Idee, dass man mit einem universalistischen Ansatz, sozusagen mit einer „Kulturellen Weltformel“ alle Kulturen der Welt beschreiben könne. Es wäre ideal und billig gewesen, wenn man alle Dip-lomaten, egal wohin sie später geschickt würden, mit dem gleichen Set von Parametern vorbe-reiten könnte. Erste systematische Überlegungen dazu publizierte er 1955 in "The Anthropolo-gy of Manners" in The Scientific American. Hall gilt zu Recht als der Gründer des akademi-schen Forschungsfeldes der Interkulturellen Kommunikation. In dem Bemühen, allgemeine Aussagen treffen zu können, lehnte er bedeutende Teile seines Werkes an die Biologie an; sein Lehrer Boas war ursprünglich Physiker. Auch hier erkennt man die Einflüsse, alle Welt quasi naturwissenschaftlich mit einem einzigen Maß messen zu wollen.
Gleichzeitig mit Hall entwickelten mehrere Soziologen in den USA ähnliche, universalistische Konzepte (Parsons & Shils 1951; Kluckhohn & Strodtbeck 1961). 
Edward T Hall hat seine Bemühungen, die jeweils andere Kultur angemessen zu verstehen und abzubilden vor allem hermeneutisch, also qualitativ betrieben und war überaus vorsichtig mit der Formulierung von Thesen. Er postulierte nach Jahrzehnten der ethnologischen For-schung, dass man Kultur selbst als ein universelles Orientierungssystem betrachten könnte. Diese Annahme hat bis heute Bestand. Darüber hinaus hat er mehrere Kategorien vorgeschla-gen, anhand derer man vielleicht sogar alle Kulturen vergleichen könnte: (1) Raum (2) Zeit und (3) Kontext der Kommunikation. 
Der Kontext der Kommunikation (low context vs. high context) gilt auch heute noch als sehr hilfreiche Dimension. Im Unterschied zu praktisch allen anderen Kulturdimensionen kann die-se direkt und kausal beobachtet, gemessen und begründet werden. Wesentliche Faktoren da-für sind u.a. die Qualität des Rechtssystems in einer Kultur, die staatliche Verfassung sowie der Schutz des Individuums.
Von der Verwendung anderer Kulturdimensionen muss abgeraten werden.


Kulturdimensionen, mathematische
Das Modell von Edward Hall wurde später von dem Elektroingenieur Geert Hofstede in den 1960er Jahren aufgenommen und in ein sehr umstrittenes Indexsystem verwandelt, das Wer-torientierungen unterschiedlicher Kulturen identifizieren und bis zur zweiten Nachkommastel-le berechenbar machen soll. Es handelt sich ebenfalls um ein universalistisches Modell – es sollen also alle Kulturen der Welt mit wenigen, immer gleichen Dimensionen beschrieben wer-den. Dazu muss ein extrem hoher Grad der Abstraktion gewählt werden, der eine wissen-schaftliche (mit Messungen) untermauerte Begründung nicht erlaubt. Darüber hinaus liegt die-sem Ansatz die vielfach bezweifelte Vorstellung zugrunde, dass man kollektives Verhalten über einen Fragenkatalog durch Selbstauskunft messen und bis auf die zweite Nachkommas-telle in Zahlen ausdrücken könnte. Die hier zugrundeliegenden Selbstauskünfte beziehen sich auf Emotionen und Wünsche. Schon die Vorstellung, dass Menschen in sehr verschiedenen Kulturen mit ähnlicher Offenheit auf solche Fragen antworten würden, ist von kindlicher Nai-vität. Auch die Übersetzbarkeit des (extrem kurzen) Fragebogens darf bei solch sensiblen Themen infrage gestellt werden. Das Indexsystem definiert vier, später sechs kulturelle Di-mensionen, nämlich "Machtdistanz", "Kollektivismus/ Individualismus", "Maskulinität/ Femin-inität", "Unsicherheitsvermeidung" und "Langfrist-/ Kurzfristorientierung". Aufgrund einer in 70 Ländern unter 116.000 IBM-Mitarbeitern durchgeführten Befragung erstellte Hofstede Länderindices, denen z.B. die jeweiligen Ausprägungen der einzelnen Kulturdimensionen zu entnehmen sind. Das Bindeglied zwischen den aggregierten Daten ausSelbstauskunft zu Emo-tionen einerseits und dem erstellten Index andererseits ist eine Faktorenanalyse, die Kausalitä-ten nicht begründen kann. Die inzwischen 40 Jahre alten Daten lassen die Studie heute nur noch aus historischer Sicht interessant erscheinen. Hinzu kommt, dass heute mit dem hier ver-wendeten geschlossenen und statischen Kulturbegriff nicht mehr angemessen argumentiert werden kann. Schon die Vorstellung, Kultur sei eine „Programmierung“ ist absurd. Hier er-kennt man den Elektroingenieur aber nicht einen kulturwissenschaftlichen Forscher.
In der modernen wissenschaftlichen Diskussion wird das Modell der Kulturdimensionen als solches als unwissenschaftliche betrachtet, da (1) von Wüschen auf Einstellungen geschlossen wird, da (2) der qualitative und kulturspezifische Aspekt der Frageformulierungen und des Antwortverhaltens völlig ignoriert wird, da (3) das Konstrukt der Kulturdimension statisch und obendrein reduktionistisch ist und da (4) eine wissenschaftliche Grundlage für Aussagen ohne entsprechende Messungen überhaupt fehlt. Von der Verwendung dieses Modells kann nur abgeraten werden.
Der universalistische Ansatz ist besonders bei kommerziellen Anbietern und bei Laien beliebt, da er einfache Erklärungen verspricht. Er wurde vielfach aufgenommen und in Zahl und Zu-sammensetzung der Indices variiert (Trompenars) und erweitert (GLOBE). Dabei handelt es sich aber immer noch um die gleichen, kausal nicht nachweisbaren Abstrakta, die darüber hin-aus auch keinen Nutzen in der praktischen Anwendung haben.
Kulturelle Relativität
ist ein Begriff, der als Konzept bereits in den 1960ern auftaucht. Es hat NICHTS zu tun mit => Kulturrelativismus.
Der Begriff beschreibt vielmehr angenommene relative Unterschiede zwischen Kulturen. Die-se können jeweils im Vergleich auf einer Skala zwischen zwei (extremen) Polen anordnen werden. Dabei fokussieren moderne Modelle der kulturellen Relativität vor allem auf Hand-lungsfelder im Management. Hier wird – ohne sehr umfangreiche Datenerhebung – davon ausgegangen, dass bestimmte Aspekte menschlichen Handelns als grundlegende Parameter das Handeln aller Manager in der Welt beschreiben können.
Besonders Erin Meyer gab dem Konzept ab 2014 neuen Schwung. Dabei fokussiert sie aus-schließlich auf das Verhalten von Managern und verkauft ihr Konzept als Consultant. Meyer hat keinerlei wissenschaftliche Begründung vorgelegt, kommt aber mit ihren Beobachtungen auch „aus dem Bauch“ recht nahe an Erfahrungswerte westlicher Manager heran. Ob diese Einordnungen von nicht-westlichen Managern geteilt würden, bleibt offen. Die kulturelle Re-lativität im Handeln wird an typischen Aufgaben des Managements wie „Entscheidungen treffen“, „Abläufe planen“ oder „Kritik üben“ jeweils auf einer Skala zwischen zwei Polen angeordnet. Für jedes Extrem kann eine Haltung beschrieben werden. Für die Handlung „Kri-tik üben“ würden beispielsweise wäre das eine Extrem: „konfrontativ kritisieren“ und das an-dere Extrem „nur durch die Blume etwas andeuten“. Die jeweiligen Positionen könnten dann z.B. in der Reihenfolge „sehr direkt“ in Deutschland – „eher kollegial“ in Italien – „nur vor-sichtig“ in den USA und – „sehr indirekt“ in Japan angeordnet werden.
Wissenschaftlich ist dieses Vorgehen nicht. Einerseits liegen den Positionierungen der einzel-nen Kulturen keine Forschungsergebnisse zugrunde, sondern eher empathische Beobachtun-gen; andererseits werden alle Urteile aus der Sicht von westlichen Managern gefällt. Die be-hauptete Neutralität der Beobachtung ist nur eine hart-ethnozentrische Illusion.


Kulturrelativismus
ist eine Haltung gegenüber anderen Kulturen, die davon ausgeht, dass die eigenen Werte von anderen nur dann akzeptiert werden müssen, wenn man selber auch die Werte anderer akzeptiert, ganz egal was man davon hält.
In seiner radikaleren Form postuliert der Kulturrelativismus sogar, dass man fremde Werte nicht nur hinnehmen, sondern als dort gültig auch als dort „richtig“ annehmen sollte. Ein solches Argument öffnet der Zustimmung zu jeder Art von Grausamkeit Tür und Tor. Nach dem Motto „Frauentötung ist dort eben eine Tradition“ könnte man so ernsthaft fordern, die Kultur der Frauentötung in bestimmten Ländern eben für „zumindest dort vor Ort richtig und angemessen“ zu halten. Eine solche Position würde also eigene moralische Vorstellungen nur für begrenzt halten, und nicht für deren Verbreitung eintreten. Die großen globalen Institutionen wie UNO, UNESCO usw. sind alle nicht kulturrelativistisch. Dies führt dazu, dass westliche (zivilisatorische) Werte wie Gleichberechtigung oder Redefreiheit dort global vertreten werden, ohne die Anderen zu fragen, ob ihnen das recht ist.
Das absolute Gegenteil von Kulturrelativismus nennt man => Unilateralismus.


Kulturschock
nennt man eine ausgeprägte und stark persönlichkeitsverändernde Fremdheitserfahrung, die zu erheblichen Handlungshemmungen führen kann. Das Konzept entstand in den 1950ern und bezog sich auf die dramatischen Erfahrungen von Fremdheit bei Entwicklungshelfern. Der Begriff wurde von Kalvero Oberg geprägt. Ein solcher. „Kulturschock“ kann, muss aber kei-neswegs zwangsläufig auftreten, wenn man für einen längeren Zeitraum im Ausland lebt und in seine Heimat zurückkehrt. Sicherlich waren die kulturellen Unterschiede und die z.T. stark monokulturell geprägte Enkulturation der US-Amerikanischen Entwicklungshelfer vor 70 Jah-ren ein anderer Ausgangspunkt als die globalisierte Enkulturation moderner Europäer heute. Oberg hat bereits 1960 verschiedene Phasen des Kulturschocks beschrieben, die sich idealtypisch in einem U-förmigen Verlauf anordnen lassen. Sie lassen sich wie folgt beschreiben:
(1) Euphorie: Man freut sich auf das Neue und reagiert anfangs überschwänglich, weil man nur das (positiv) Erwartete wahrnimmt.
(2) Missverständnisse: Man erkennt die Normalitätsregeln der Zielkultur teilweise nicht und erzeugt Missverständnisse, weist sich aber als Neuankömmling die Schuld selbst zu.
(3) Kollisionen: Die Ursachen der Missverständnisse bleiben einem verborgen, man weist den anderen die Schuld zu, resigniert teilweise und neigt zu einer starken Aufwertung der eigenen Kultur.
(4) Unterschiede werden akzeptiert und Widersprüche ausgehalten. Man bemüht sich um ein Verstehen.
(5) Akkulturation: Man versteht die Unterschiede weitgehend und tendiert zur Übernahme einiger fremdkulturspezifischer Verhaltensmerkmale. 
 

Kulturstandards
Aus der Psychologie kommt mit den Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Alexander THOMAS der Begriff der Kulturstandards. Hier geht es darum, individuell messbare Verhaltensstan-dards so in eine soziale Kategorie zu überführen, dass ein Kernbereich von üblichem Verhalten und (noch tolerierte) Randbereiche beschrieben werden können. Bei Kulturstandards geht es also im Unterschied zu den Kulturdimensionen nicht um den Vergleich oder gar das pseudo-wissenschaftliche Messen mit einer anderen Kultur, da manche Aspekte möglicherweise nur in dieser einen Kultur als Standard auftreten. Zentrale Kulturstandards einer Kultur können also in einer anderen Kultur völlig fehlen oder nur von peripherer Bedeutung sein. Verschiedene Kulturen können ähnliche Kulturstandards aufweisen, die aber von unterschiedlicher Bedeu-tung sind und unterschiedlich weite Toleranzbereiche aufweisen. Kulturstandards und ihre handlungsregulierende Funktion werden nach erfolgreicher Sozialisation vom Individuum innerhalb der eigenen Kultur nicht mehr bewußt erfahren…" (Thomas 1993, S. 380 - 381). Erst nach einer spezifischen Betrachtung der Standards in einer Kultur lassen sich dann mög-licherweise Parallelen zur eigenen Kultur ziehen oder eben Unterschiede relativ hervorheben. Die Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf der Basis von Kultur-standards sollte jedoch immer vor dem Hintergrund der jeweiligen historischen Entwicklung und der jeweiligen memoire collective erfolgen. Ähnliche oder gar gleiche Standards können aus ganz verschiedenen Gründen entstanden sein, ein ganz anderes soziales, ökonomisches oder legales Umfeld haben und sich daher z.B. auch völlig anders zu weiteren Standards ver-halten. Wenn man klare Unterschiede definieren kann, lassen sich daraus oft Hinweise auf empfehlenswerte Verhaltensanpassungen ableiten.

Kulturunterschiede
Versuche zahlreicher Unternehmen, Produkte oder auch Produktwerbung weltweit anzuglei-chen, sind in der Vergangenheit häufig daran gescheitert, dass kulturspezifische Gewohnhei-ten, Geschmäcker und Wahrnehmungsformen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Und so sind heute selbst Weltmarken keine „Welt“marken im Sinne einer universalen Standardisierung: Eine „Marlboro“ in Polen liegt bezogen auf den Teer- und Nikotingehalt erheb-lich über dem Niveau ihres US-amerikanischen Gegenstücks, ein Weichspülmittel wie „Vernell“ enthält länderspezifisch unterschiedliche Geruchsstoffe, und der „Nescafe“ in Italien ist beispielsweise wesentlich schärfer gebrannt als der in England.
Derartige Unterschiede bestehen vor allem deshalb, weil sich in den einzelnen Kulturen über Jahrhunderte hinweg sehr unterschiedliche Erfahrungs- und Wahrnehmungswelten herausge-bildet haben, die noch heute in der einen Kultur als „normal“ erscheinen lassen, was in einer anderen Kultur vollkommen unakzeptabel wäre. Ursachen hierfür sind z.B. spezifische klima-tische Verhältnisse, besondere Technologien oder auch konzeptionelle Eigenarten von Sprachen.


Kulturträger
Während praktisch alle Lebewesen ein soziales Verhaltensrepertoire haben (Hunde bilden eine Meute, Pinguine brüten abwechselnd, Orcas jagen gemeinsam, usw.), haben nur Menschen auch ein kulturelles Verhaltensrepertoire. Dies bedeutet nämlich, dass sie auch Werte und de-ren Symbole erlernen, interpretieren und weitergeben können. Wenn eine größere Gruppe von Menschen ähnlichen systemischen und historischen Bedingungen ausgesetzt ist, also eine Generation mit ähnlichen generationalen Erfahrungen in einem Land mit gleicher Sprache, dem gleichen Bildungssystem, Medienangebot, usw. , so nennen wir diese Menschengruppe die Kulturträger dieser Kultur.


Kulturvergleich
Um beim Vergleichen von Kulturen zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen, kann man alle anderen an der eigenen Kultur „messen“, man kann versuchen, objektiv beschreibbare Da-ten zu vergleichen, man kann Dichotomien aufstellen (Lévi-Strauss), oder man kann willkürli-che Indizes bilden (Hofstede). Man kann sich jedoch auch darauf beschränken, die Eigen-Aussagen der untersuchten Gruppe mit den Aussagen von Angehörigen eines anderen Kultur-raumes über diese untersuchte Gruppe zu vergleichen: Wie gut stimmen Selbstbild und Fremdbild überein? Führt man diese Untersuchung wechselseitig durch, entsteht ein relativer Vergleich der Standards zweier Kulturen bzw. Kulturareale. Relativ deshalb, weil daraus nicht hervorgeht, ob die erfassten Kulturstandards in allen menschlichen Kulturen existieren, sprich: auf universale menschliche Verhaltensdimensionen zurückzuführen sind. Eine Qualifizierung und Klassifizierung ist bei dieser Betrachtung demnach noch nicht möglich; die Untersuchung endet bei der „Begriffsbildung“.
Der Kulturvergleich mit Kulturstandards wie bei Alexander Thomas ist daher eine => Theorie mittlerer Reichweite und behauptet nicht, alles beschreiben zu können. Dies wäre typisch für eine Theorie großer Reichweite, die wie eine „Weltformel“ den Anspruch erhebt, alles messen und berechnen zu können. Es gibt bis heute keine solchen Modelle, die seriös wären. Wer das behauptet (z.B. über „Kulturdimensionen“) propagiert => Schein-Genauigkeit, der keine wis-senschaftliche Basis zugrunde liegt.


Kulturwissen
Wissen primär nicht über kulturelle Fakten und „Normen“ als vielmehr über deren Hintergrün-de und Systemzusammenhänge und Werte der eigenen und einer fremden Kultur. Kulturwis-sen entsteht in der eigenen Kultur im Prozess der -> Enkulturation und in einer später erlebten, fremden Kultur in Form der -> Akkulturation.
Neues Kulturwissen macht altes Kulturwissen nicht unwirksam oder vergessen, aber es kann dieses relativieren und in Frage stellen.


L
Lakunenmodell
Der Begriff der „Lakune“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: „eine Lücke“. Er ist in der Sprachwissenschaft in vielen Sprachen aufgenommen worden und beschreibt z.B. in Übersetzungen Wörterlücken, für die es in der Zielsprache keinen treffenden Ausdruck gibt. Man unterscheidet solche „Lücken“ grundsätzlich zunächst in drei Bereichen: mentale Lakunen (es gibt diese Vorstellung nicht), Tätigkeitslakunen (man tut etwas bestimtes in der ande-ren Kultur nicht) und Gegenstandslakunen (es gibt bestimmte gegenständliche Erfahrungen in einer anderen Kultur nicht oder nicht so). xxxx Ertelt-Vieth 2004


Lebenswelt
ist ein aus der deutschen Soziologie stammender Begriff, der die soziale Zugehörigkeit eines Menschen in seiner Umgebung definiert. Sie trennt die, die man kennt und die dazugehören (Wir), von denen, die nicht dazugehören (Sie): die ›Anderen‹, die ›Fremden‹, ›die da oben‹ oder ›die da unten‹. Die Lebenswelt ist immer eine intersubjektive Kulturwelt, auf die man sich gemeinsam mit seinen Mitmenschen verständigt, die ständig neu ausgehandlet wird, und deren Basis die => Mémoire collective ist. Alle Tatsachen der Lebenswelt sind immer schon interpretierte und => konstruierte Tatsachen, die auf Sinnzusammenhänge und Deutungsmus-ter verweisen, die Erfahrung und Handeln in der alltäglichen Welt ermöglichen. Beim Erfassen der Lebenswelt ist man weitgehend auf in Interviews erfragte lebensgeschichtliche Erzählungen verwiesen (=> oral history)

Leitkulturen
bezeichnet eine eingeforderte und vorbildhafte Kultur im Sinne eines bestimmten Wertekanons und  bestimmter Verhaltensmuster. Der Begriff wurde von Bassam TIBI geprägt in seinem Buch „Europa xxxx


Lingua franca
Sprache, die von Kommunikationspartnern mit unterschiedlicher Ausgangssprache verwendet wird, um die Kommunikation zu erleichtern. Eine klassische lingua franca ist heute Englisch als Fremdsprache, das besser als „Internationalish“ oder „Globish“ bezeichnet wird.


Lügner-Dividende
In naher Zukunft werden Übertäter digitale Fälschungen zu fast allem vorlegen können – und jegliches echte Material als falsch zurückweisen. Dieser doppelte Vorteil wird auch als “Lügner-Dividende“ bezeichnet. Der Begriff stammt aus einem Fachaufsatz über Deepfakes von 2018, bezieht sich aber auf Desinformationen aller Art. Dies wird Populisten und Volksverhetzern in die Hände spielen, die zu jedem Anlass Verleumdungen produzieren können. Wenn man dann nicht mehr sicher weiß, was stimmt, und was gefälscht ist, dann wird es immer schwieriger, die Wahrheit darzustellen. Menschen resignieren dann. Der Aufwand für die Lüge ist viel kleiner als der Aufwand für die Wahrheit. Wer also billig lügt, erhält dafür auch noch eine Dividende an erhöhter Aufmerksamkeit.

 

M
Melting Pot
ist ein Begriff aus den USA. Auf Deutsch: Schmelztiegel, also eine sehr heiße Pfanne, in der Materialien so stark erhitzt werden, dass sie ihre Form verlieren und zu einem einzigen Brei verschmelzen. Der Begriff ist als Metapher gewalttätig und zielt auf die Zerstörung von kultu-rellen Eigenheiten einzelner Menschen. Wahrscheinlich war den Autoren des Begriffes nicht klar, wie gewalttätig dieses Bild ist. 
=> Hermeneutisch ist der Begriff falsch, weil er voraussetzt, dass ursprüngliche Prägungen und Erfahrungen „eingeschmolzen“ werden könnten.  As ist naiv, weil es ein völliges Verges-sen des bisherigen Lebens voraussetzt.
Heute wird anstelle dieses Begriffes lieber die Metapher der => „Salad Bowl“ verwendet, die ausdrücken soll, dass eine Tomate auch eine Tomate bleibt, auch wenn sie mit Oliven und Zwiebeln in derselben Schüssel liegt. Diese Metapher ist ebenfalls Unfug.
Mémoire Collective 
ist ein Schlüsselkonzept für uns, weil es erstmals ein Modell für ein sozial geprägtes Gedächt-nis darstellt. Von Maurice Halbwachs entwickelt, und 1925 in seinem Buch „Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen“ sowie in dem 1950 posthum veröffentlichten „Das kollekti-ve Gedächtnis“ dargestellt, ermöglicht uns dieses Konzept eine Theorie von dem sozial geprägten Gedächtnis des Individuum. Halbwachs wurde 1945 von den Deutschen ermordet. Der Begriff macht alle vorwissenschaftlichen und alltagssprachlich beliebten Ideen wie „Mentalität“ usw. überflüssig, weil er sehr präzise fasst, wie ein Gedächtnis sozial konstituiert wird. Jan Assmann erweiterte in den 1980ern diese Theorie um die Differenzierung zwischen einem kommunikativen Gedächtnis – im Gespräch zwischen Menschen – und einem kulturellen Ge-dächtnis, das in Form von Monumenten usw. länger als 80 Jahre überleben kann, jedoch fort-laufend neu interpretiert wird.
Erinnerung – auch individuelle Erinnerung – ist sozial bedingt und hängt von dem ab, was wir in unserer Kindheit und Jugend erlenen und was uns über frühere Zeiten berichtet wird. Die Mémoire collective reicht etwa 80 Jahre zurück, da wir selten weiter als bis zu unseren Großel-tern wirklich wesentliche Aussagen machen können. Die Mémoire collective „wandert“ also mit den Jahren mit, der Zeitraum verschiebt sich also jedes Jahr um ein Jahr.


Mentalität
ist ein vorwissenschaftlicher Begriff xxx


Metabild
Unsere Wahrnehmung von Eigenem und Fremden ist über das direkte Wechselspiel von Selbst- und Fremdverständnis hinaus auch wesentlich dadurch geprägt, was wir annehmen bzw. vermuten, was andere von uns denken und erwarten. Man spricht in diesem Zusammen-hang von „Metabildern“. Wenn ich z.B. vermute, dass der Andere von mir erwartet, dass ich in einer bestimmten Kleidung zu einer Veranstaltung gehe, die er auch besucht, so kann diese Vermutung bzw. dieses Metabild für mich durchaus handlungsleitend sein und mich zur Wahl entsprechender Kleidungsstücke motivieren. Hieraus folgt: Wenn wir Fremdes (und Eigenes) wahrnehmen und verstehen, dann geschieht dies immer auf der Grundlage des wechselseiti-gen Zusammenhangs von Selbst-, Fremd- und Metabildern.


Metakommunikation
Fähigkeit, über Kommunikationsprozesse zu kommunizieren oder m.a.W.: Probleme, die im interkulturellen Handeln auftreten, mit allen Beteiligten früh genug thematisieren können.


Metapher
von lat.: metaphora aber eigentlich aus dem Altgriechischen: μεταφορά, wörtlich „Übertragung“, bedeutet anderswohin tragen. Die Metapher ist ein sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort (oder eine Wortgruppe) aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird, ohne dass ein direkter Vergleich die Beziehung zwischen Bezeich-nendem und Bezeichnetem verdeutlicht. Es handelt sich also um eine bildliche Übertragung. 
In der Diskussion um interkulturelle Kommunikation sind räumliche (= spatiale) Metaphern besonders häufig, z.B. der => „Dritte Ort“ für das Zwischen, an dem interkulturelle Kommu-nikation stattfinden kann – also zwischen zwei oder mehr Kommunikationsteilnehmern. Diese Metaphern sind zugleich besonders problematisch, weil sie erstens viel zu stark vereinfachen und zweitens statisch sind. Räume sind per se statisch und wenn man Kulturen als „Kisten“ oder Kreise beschreibt und darstellt, dann verliert man ihren => konstruierten Charakter und ihre Veränderlichkeit aus dem Blick. Daher sollte man solche räumlichen Metaphern meiden.


Missverständnisse, interkulturelle
Viele interkulturelle Missverständnisse und Probleme resultieren daraus, dass man sich der Kulturgebundenheit der eigenen und der spezifischen Wahrnehmungsweise seines fremdkul-turellen Partners nicht hinreichend bewusst ist: Es werden Dinge und Sachverhalte als unhin-terfragt „normal“ angesehen, die für die Wahrnehmungsgewohnheiten des anderen keineswegs plausibel sind. Wird dieser Plausibilitätsmangel nicht thematisiert (--> Metakommunika-tion) oder wird der Sachverhalt solange „um-interpretiert“, bis er aus der eigenen Sichtweise heraus plausibel zu scheint, bauen alle weiteren Interaktionen zwischen den Beteiligten auf der trügerischen Annahme auf, man hätte z.B. eine gemeinsame Argumentationsbasis. Faktisch argumentiert man jedoch auf ganz unterschiedlichen Ebenen (ohne es zunächst zu merken). Wenn das gegenseitige Missverstehen dann offenkundig wird, ist die eigentliche Ursache meistens gar nicht mehr bekannt, womit es dann umso schwieriger wird, eine neutrale Bezie-hungsebene zurückzuerlangen.


Moral Licensing
nennt man das Phänomen, dass Menschen, die z.B. an interkulturellen Trainings teilgenommen haben, als „moralisch jetzt genehmigt“ gelten. Die Teilnahme an einem entsprechenden Semi-nar kann dazu führen, dass Andere das Verhalten der Teilnehmer hinterher für gut halten, weil diese ja angeblich im Training gelernt haben „wie es geht“, oder dass die Teilnehmer selber nun der Meinung sind, sie wüssten nun genug um sich ungeniert zu verhalten, denn die Teil-nahme am Seminar habe sie ja mit einer Lizenz zum unreflektierten Verhalten ausgestattet.


Multikulturalität
beschreibt das Nebeneinander verschiedener Gruppen, die sich kulturell unterscheiden und nicht oder kaum miteinander Umgang haben, diesen sogar oft gezielt vermeiden, ja abwertend und negativ konnotieren und die mitunter auch in abgeschotteten Parallelwelten leben. 
Der zentrale Unterschied zwischen multikulturell und interkulturell besteht darin, dass Multi-kulturalität eher rückwärts gerichtet ist und auf den Erhalt von Eigenarten und Unterschieden fokussiert, während => Interkulturalität eher vorwärts gerichtet ist, und Verständigung und Miteinander sucht. 
Mit „Multikulturalität“ wird also in erster Linie eine soziale Organisationsstruktur bezeichnet. Vielfach wird im Alltagsgebrauch Multikulturalität mit Interkulturalität verwechselt, weil fälschlich angenommen wird, nur weil Menschen unterschiedlicher Kultur z.B. in der gleichen Straße, dem gleichen Stadtteil usw. wohnten, würden sie schon sozialen und kulturellen Aus-tausch pflegen und die oberflächliche Annäherung (ethnische Restaurants, usw.) führe schon zu wechselseitigem Verstehen. Diese Vorstellung ist so naiv und falsch wie die => Kon-takthypothese und übersieht außerdem den gewinnorientierten Charakter einer Seite dieser Begegnung, der sich in -> depravokulturellen und/oder -> fraudekulturellen Angeboten von Kulturmarkern als Teil des Produktes manifestiert.


N
Narrative Verzerrung 
(narrative fallacy) beschreibt den Prozess der Schaffungen einer (schlüssigen) Erzählung, um einem nicht vorhergesehenen, zufälligen Ereignis nachträglich Plausibilität zu verleihen. Dies gilt vor allem für den Aufbau von => anekdotischem Wissen, das keiner systematischen Über-prüfung unterzogen wird. Um die eigene Erfahrung als kohärent zu verarbeiten, werden überraschende und zufällige Erlebnisse „passend gemacht“ und in der Erinnerung als plausible und nicht wirklich überraschende Erfahrungen integriert.


Nahfremde
ist ein Konzept, das 1980 von Harald WEINRICH am College de France entwickelt und 1985 erstmals publiziert wurde. Es beschreibt die Erfahrung, dass bei geringer kultureller Distanz eine erlebte Fremdheit als besonders störend empfunden wird. Ähnlich wie in der Linguistik die sog. „typologische Distanz“ zwischen Sprachen ferner oder näher sein kann (deutsch-chinesisch ist ferner als deutsch-schwedisch), kann auch die kulturelle Distanz zwischen zwei Kulturen größer oder kleiner sein. Zwischen Deutschland und den Niederlanden ist die kultu-relle, religiöse, sprachliche, mediale, weltanschauliche usw. Distanz geringer als zwischen Deutschland und Vietnam. Eine besonders geringe Distanz hat Folgen, die oft unberücksich-tigt bleiben: Wer in einer kulturell sehr nahen Fremde kommuniziert, z.B. Deutsche in Österreich, Franzosen in Belgien, US-Amerikaner in Kanada oder Briten in Irland, der nimmt an und verlangt sogar, dass alles so ähnlich oder sogar genauso wie zu Hause sei. Diese Aus-gangsposition verringert die Toleranz für Neues und Überraschendes ganz enorm, weshalb hier die Offenheit für Anderes besonders gering ist und folglich Konflikte früher und schon bei kleinsten Anlässen entstehen können. Die geringe Abweichung von der eigenen Norm wird weniger hingenommen als eine große Abweichung bei einer schon antizipierten Andersheit.
Zugleich ist der kleinere Partner oft besonders empfindlich, weil er doch andauernd erlebt, dass ihm Eignes gar nicht erst zugestanden wird. Ihm wird eine geringfügig andere Identität glattweg abgesprochen. Das ist verletzend für den Kleinen und der Große bemerkt es nicht einmal.
Das wird besonders sichtbar im Alltagshandeln, wenn es also um die scheinbar „kleinen Dinge“ des Lebens geht: wie man bei Tisch sitzt, wie man Höflichkeit ausdrückt, usw. Viele Men-schen reagieren dann so, als ob ihr Gegenüber unzurechnungsfähig sei oder die minimale Abweichung vorsätzlich und als Provokation herbeiführe, weil dies Gegenüber „es ja besser wissen müssten!“ – was tatsächlich nicht der Fall ist. 
Besonders wenn die Sprache die gleiche ist, und wenn eine der beiden Kulturen deutlich größer ist (Deutschland und Österreich oder Frankreich und die belgische Wallonie, die USA und Kanada oder England und Irland) wird der kleinere Partner besonders empfindlich auf die vermutete Arroganz des größeren reagieren.


Nonverbal 
ist eine Form der Äußerung, die nicht mit Wörtern =>verbal erfolgt und auch nicht sonst mit der Stimme wie z.B. durch Lautstärke, Tonhöhe, Intonation usw., was als => paraverbal bezeichnet würde. Es gibt neben den stimmlich realisierten Äußerungen durch Wörter oder Töne noch eine Vielzahl an Zeichen, Gesten und anderen Wegen um etwas auszudrücken. Der Gesichtsausdruck (Grimassen, xxxxx


Normalität
ist im Rahmen der kulturwissenschaftlichen Forschung das, was als Selbstverständliches in einer Kultur nicht mehr erklärt und über das nicht mehr entschieden werden muss. Dieses Selbstverständliche betrifft alle kulturellen Normen, also auch die Moral, und konkrete Ver-haltensweisen, Routinen und Rollen. Es wird durch Enkulturation – also durch Erziehung und kulturspezifische Sozialisation vermittelt und gewährleistet Sicherheit (Handlungskompetenz) zwischen den Menschen. Diese Enkulturation nimmt jeweils ältere Erfahrungen auf und ist daher historisch und kontingent. Da Normalität sich fortlaufend an die vorfindliche Umwelt anpasst, ist sie auch ein dynamisches Konstrukt
Normalität kann als ein empirisch beobachteter und statistisch ermittelter Wert beschrieben werden (=> Kulturstandards). Individuelle Standards können geringfügig von den „normalen“ Normen und Routinen abweichen. Normalitäten werden als solche nicht hinterfragt, weil sie eine Plausibilität der Handlungskontexte garantieren. Normalitätserfahrungen zählen zu den Bedingungen, um etwas als kulturell „Eigenes“ deklarieren zu können. Abweichungen davon werden oft als „störend“ erlebt und nur begrenzt akzeptiert. 


Normalitätsannahme
ist ein Begriff, der ursprünglich aus der Psychologie kommt und dort zusammen mit der => Diskrepanzannahme die Grundlage für diagnostische Feststellungen bildet. In der Psychologie bezieht sich der Begriff auf einen messbaren Mittelwert, der als Normalität definiert wird.
In der interkulturellen Kommunikation wird der Begriff völlig anders verwendet, nämlich aus dem kulturspezifischen Blickwinkel des jeweiligen Individuums. Man beschreibt damit An-nahmen, die ein Mensch für sich selber als „normal“ oder „richtig“ empfindet. Dies sind vor allem Hypothesen bezüglich der Handlungsroutinen und Werte in einer bekannten Umwelt, also z.B. wie, wo und wann man sich begrüßt oder ganz allgemein: Wie man auf alltägliche Situationen angemessen reagiert. In diesem Fall heißt „angemessen“ so zu reagieren, wie die meisten anderen es auch erwarten und daher für plausibel halten. 
N werden üblicherweise während der => Enkulturation erworben und sind lebenslange Begleiter, auch wenn sie später in Phasen der => Akkulturation mit anderen N konfrontiert und dadurch auch relativiert werden (können).
Die N sind ihren Trägern in der Regel nicht bewusst („Fish don´t see water“) und werden erst sichtbar, wenn sie nicht eingehalten werden. Wenn Andere sich nicht entsprechend meiner N verhalten, kann ich ihr Verhalten schwer oder gar nicht einschätzen. Übliche Reaktionen da-rauf sind eine => deklarierte Dysfuktionalität (grch.: falsche Funktion), also etwa: „Die sind unpünktlich, schmutzig, nicht zuverlässig!“ Nicht bestätigte N führen meist zu Verunsiche-rung, was zu Unklarheit („Wie meinst du das denn jetzt?“) oder zu Ablehnung („Du funktionierst nicht richtig“) bis zu kategorischer Verweigerung („Du machst es/alles falsch“) führt. Die Haltung der Verweigerung kann über Jahre und Jahrzehnte anhalten und => petrifizieren, wenn z.B. => Expatriates nach Jahren in einem anderen Land noch immer die eigenen N einfordern („ich bin schon 20 Jahre hier und ärgere mich jeden Tag über das lokale Verhalten!“)


Normative Begriffe
sind solche Begriffe, die eine Bewertung enthalten. Sie sind nur innerhalb der Wertenorm ei-ner Kultur zu verstehen und sind immer auslegungsbedürftig. Im Grunde ist ein normativerer Begriff wie z.B. „Gerechtigkeit“ oder „Nachhaltigkeit“ oder „Freiheit“ immer der Name für eine ganze Theorie (die dahinter steht). Man kann sagen, dass alle Theorien sich in zwei Klassen einteilen lassen: rein beschreibende Theorien (deskriptiv) und Theorien, die immer schon eine Bewertung in sich mitführen, also wertende Theorien (normativ). Die Frage, was gerecht sei, wird in jeder Kultur anders beantwortet. Die Basis für unterschiedliche normative Fassun-gen des gleichen Begriffes sind in der Regel unterschiedliche historische Erfahrungen, religiö-se Gebote und Verbote oder auch politische Moden.


O
Oberflächen-/ Tiefenstrukturen 
Kulturen verfügen über eine sog. Oberflächenstruktur, die wahrnehmbar ist, wie etwa Gebäude, Riten oder auch die Sprache. Die Tiefenstruktur liefert das Konzept, die in dieser Kultur bekannten Bedeutungen und Interpretationen des Wahrnehmbaren (Wertesystem). So sagt etwa die Raumaufteilung in Bürogebäuden sehr viel über gesellschaftlich praktizierte Rangordnungen aus, wie umgekehrt die Raumaufteilung auch ein wichtiges Element darstellt, um derartige Rangordnungen zu tradieren oder zu modifizieren. (--> Eisbergmodell)


Offenheit
Offenheit bezieht sich vor allem auf die Bereitschaft Erfahrungen zu sammeln. Je mehr man sich Erfahrungen von Fremdem öffnet, desto differenzierter bilden sich die eigenen Wahr-nehmungsschemata aus. Dies ist wiederum Voraussetzung, um stereotype Denkweisen aufzu-brechen. --> Flexibilität


Opazität (Das Triplett der Opazität)
beschreibt als ursprünglich medizinischer Begriff eine Trübung oder undurchsichtige Beschaf-fenheit (opak). Der Begriff wurde von Nassim TALEB eingeführt, der damit drei Verzerrun-gen der Wahrnehmung beschreibt. Sie alle wirken besonders stark auch in der Wahrnehmung anderer Kulturen. (1) die Illusion, gegenwärtige Ereignisse zu verstehen, die in Wirklichkeit viel komplexer sind als wir es wahrnehmen; (2) die retrospektive Verzerrung und „Vereinfa-chung“ vergangener Ereignisse, die man meint klar beurteilen zu können und (3) die Überbe-wertung von Sachinformation, kombiniert mit einer Überbewertung der intellektuellen Eliten. Das alles führt bei der Begegnung mit anderen Kulturen sowohl im Moment als auch später im Rückblick zu einer falschen Sicherheit, komplizierte Dinge „verstanden zu haben“.


Orgakulturell
ist das passsende Adjektiv für die kulturelle Verfasstheit einer Firma, also für die => Unter-nehmenskultur. Dies ist u.U. der mehrere Kulturen überspannende Anspruch einer bestimmten Verhaltensweise mit eigenen Werte und Regeln innerhalb einer großen Firma, der dort als glo-bale Vision und Mission offensiv vertreten wird. Dieser Anspruch soll einerseits die Kommu-nikation innerhalb der Firma erleichtern, andererseits auch Identität stiften, so wie das Erzie-hung und Zugehörigkeit zu jedem anderen sozialen Kollektiv auch schaffen.


Othering
beschreibt den Prozess, indem Fremde „zu solchen gemacht werden“. Andere sind ja nicht per se „fremd“, sondern zunächst mal nur anders. Erst im Prozess der „Fremdsetzung“ werden sie als Fremde auch „aufgefasst“. => Fremdheit ist also keine Eigenschaft des Fremden, sondern sie beschreibt den Prozess des Fremdsetzens und die daraus resultierende Beziehung zwischen demjenigen, der Andere aktiv „fremdsetzt“ und dem anderen, dem dieses widerfährt. Der Begriff kommt aus dem Englischen (engl. other = "andersartig" mit der Endung -ing", um das Substantiv bzw. Adjektiv zu einem handelnden Verb zu machen) und wurde 1985 erstmals in der wissenschaftlichen Diskussion verwendet. Ähnlich wie auch der begriff => Xenologie wurde O. mit einer antikolonialen, politischen Intention in die Diskussion eingeführt. Die Dis-tanzierung de Selbst und der eigenen Gruppe von anderen Gruppen, um seine eigene ›Norma-lität‹ zu bestätigen, ist ein alltäglicher Vorgang, der ähnlich wie => Stereotype eine ordnende Funktion hat. Dabei wird das Selbst bzw. sein soziales Image positiv hervorgehoben, indem man einen anderen bzw. etwas anderes negativ brandmarkt und als andersartig, das heißt ›fremd‹ klassifiziert, sei es wegen seines Aussehens, der geographischen Lage, der Ethik, der Umwelt oder der Ideologie. In dieser Differenzierung liegt potenzielles hierarchisches und stereotypisches Denken, um seine eigene Position zu verbessern und als richtig darzustellen.


P
Paraverbal
ist neben =>verbal (=gesprochene Wörter) und => nonverbal (Gesten, Zeichen) eine weitere Kategorie von Ausdrucksmöglichkeiten. Zu den wichtigsten paraverbalen Elementen gehören die Betonung, die Lautstärke, die Stimmhöhe, xxxxxxx


Pauperkulturell
bedeutet kulturell armselig. Dies beschreibt beispielsweise die Versuche der Dienstleistungs-industrie, kulturelle Zusammenhänge als Produkt für Kunden zugänglich zu machen, also komplexe Verhaltensmuster und Werte sowie Artefakte zu => kommodifizieren. Die hierbei notwendige und regelmäßig vorgenommene Vereinfachung, => Reifizierung, => Petrifizie-rung und Reduktion auf wenige ärmliche Bilder und Symbole ist für die Gestaltung eines massentauglichen Produktes notwendig. Als Darstellung einer Kultur ist sie aber vor allem eines: armselig, also pauperkulturell. Will man die Kunden in ihrer Vorstellungswelt da abholen, wo sie sich identifizieren können, muss die fremde Kultur notwendig mit sehr wenigen Schlagwörtern dargestellt werden. Wird sie dabei über die armselige Vereinfachung hinaus noch vorsätzlich zur Karrikatur gemacht, wie das in Vergnügungsparks der Fall ist, so ist das nicht nur pauperkulturell (pauper ex proposito), sondern auch schon => depravokulturell. Griechenland besteht dann nicht mehr aus tausend faszinierenden Aspekten, sondern in seiner kommodifizierten Form nur noch aus Ouzo, Gyros und Tsatsiki sowie Schlüsselanhängern aus Plastik in Form der Akropolis. Der kretische Minotaurus würde hier vom Publikum bereits dem Produkt „Spanien“ als Stier zugeordnet.


Perspektivwechsel
nennt man die Fähigkeit, sich einmal die Sicht der Anderen auf eine Problemstellung vorzu-stellen. Es ist sehr schwierig, sich „in den anderen hineinzuversetzen“ xxx


Piktorial
nennt man die in Militär und Industrie seit den 1970er Jahren üblichen Kommunikationsfor-men, in denen wiederkehrende Anleitungen (wie reinige ich Maschine A?) oder z.B. Sicher-heitsvorschriften (wo stehe ich beim Start des Motors?) in einer Mischung aus Bildern und rudimentärem Text widergegeben werden. Im Unterschied zu Mangas oder Comics, werden in Piktorials üblicherweise keine Handlungsabläufe, sondern einzelne Situationen dargestellt. 


Plausibilität
Der Begriff „plausibel“ heißt ursprünglich, dass etwas so einleuchtend und überzeugend ist, dass es Beifall verdient (lat. plaudere: Beifall klatschen). Plausibilität ist also das Gefühl, dass man etwas völlig versteht, weil es einleuchtend und überzeugend ist – und das heißt, dass es zu den eigenen Werten passt. Daher ist Plausibilität neben dem Empfinden von Normalität und der Möglichkeit zu Routinehandeln einer der wesentlichen Faktoren, um eine bestimmte Umwelt oder "Kultur" als "eigene" klassifizieren zu können, und sich handlungssicher zu füh-len. In Situationen der Fremdbegegnung sind viele Erlebnisse zwar nach fremdkulturellen Schemata plausibel, aber diese Plausibilität erschließt sich uns nicht, weil wir keine (ausrei-chende) Kenntnis der fremdkulturellen Werte und Systeme haben.


Plausibilitätsdefizit
xxxxxxxxxxxxxxx,


(selektive) Plausibilisierung
Wenn wir Situationen erleben oder Dinge wahrnehmen, die nicht in unser Weltbild passen, dann besteht immer die Versuchung, sie für unsere Weltsicht „passend“ zu machen. Wir sind daher leider geneigt, unsere Wahrnehmung auf das einzuschränken, was wir für „passend“ halten und das Wenige, das wir dann wahrnehmen uns selber so zu erklären, dass die Wahrnehmung in ihrer Gesamtheit möglichst stimmig und widerspruchsfrei ist. Dieses Bedürfnis nach einer einleuchtenden und überzeugenden Umwelt führt dazu, dass wir Erklärungen an-nehmen, die bisweilen völlig falsch sein können, nur um unsere Wahrnehmung einleuchtend zu machen. Wenn wir das Gefühl haben, dass unsere eigene Erklärung und Interpretation zu einer befriedigenden und irgendwie verständlichen Welt führt, gibt uns das Sicherheit.


Political correctness
bezeichnet ursprünglich das Bemühen, Ausdrücke und Handlungen zu vermeiden, die Gruppen von Menschen oder auch nur Einzelne kränken oder beleidigen könnten. Aus dieser Idee ist eine Bewegung geworden, die das Recht des Einzelnen auf Schutz leicht über rechtsstaat-liche Grundrechte wie die Meinungsfreiheit stellt. Hier stehen zwei Rechtsgüter in Konflikt. Da alle Menschen bei ihrem Handeln immer auch von der Angst vor der sozialen Isolation angetrieben werden – keiner will in einer Gruppe oder der Gesellschaft außen stehen – setzen sie sich dem Risiko eine unbequeme Meinung zu haben nur selten aus. Um nicht ausgegrenzt zu werden, beobachtet der Einzelne in der Regel häufig seine Umgebung auf der Suche nach der gerade vorherrschenden Meinung – und passt sich ihr dann an.


Polykulturell
bezieht sich wie => bikulturell auf den einzelnen Menschen und nicht auf eine Gruppe. Wenn Menschen z.B. aus Mischehen stammen und in einem Land leben, das nicht das Herkunfts-land seiner Eltern ist, so werden sie sich u.U. drei oder mehr kulturellen Handlungszusam-menhängen, Regelsystemen und Werten verpflichtet fühlen. Solche Menschen sind – als Individuen – polykulturell, was in manchen Theorien auch unter => transkulturell subsummiert würde. Tatsächlich unterscheiden sich die beiden Begriffe aber erheblich. Polykulturell ist immer auf ein Individuum bezogen. Dieses Individuum kann persönlich polykulturell geprägt sein und in einer => multikulturellen Umgebung leben, deren Zusammensetzung aber nicht einmal mit den mehrfachen und ineinander verwobenen Enkulturationen des polykulturell aufgewachsenen Menschen zu tun haben müssen.


Polyzentrismus
Als Gegenteil von --> Ethnozentrismus: Der Versuch, interkulturelle Handlungszusammen-hänge nicht ausschließlich vor dem Hintergrund der eigenkulturellen Erfahrungen zu interpre-tieren, sondern für das Handeln der Anderen zu unterstellen, dass es mir unbekannte Werte und Normen geben kann. Polyzentrismus ist der (häufige) Versuch, die Eigenständigkeit anderer Kulturen anzuerkennen und kulturspezifische Wertungen zu relativieren. Dabei handelt es sich nur um ein theoretisches Ziel. Niemand kann (oder sollte) versuchen, Handlungen mit einem (zunächst) unbekannten Hintergrund ohne die eigenen Maßstäbe zu betrachten; es geht vielmehr darum, die eigenen Maßstäbe um weitere bekannte oder auch die Möglichkeit von unbekannten Maßstäben zu bereichern. 
Polyzentrismus findet da seine Grenze, wo die Grenzen der eigenen -> Toleranz erreicht sind.


(selbsterfüllende) Prophezeiung – self-fulfilling prophecy
Man spricht von einer selbsterfüllenden Prophezeiung, wenn eine Person (oder eine Gruppe) den Erwartungen Anderer entsprechen, und diese Anderen dann sagen oder denken können, die beobachtete Person oder Gruppe sei so, wie man es vorher schon angenommen habe. Da-bei hat die zugrundeliegende Annahme aber erst eine hinreichend deutlich kommunizierte Er-wartungshalten hervorgerufen, auf die die andere Seite nur reagiert hat. Vielfach verhalten sich Menschen entsprechend den Stereotypen, die es über sie gibt, und sie nehmen diese Ste-reotype auch für sich selber an (-> Autostereotypie). Sie verhalten sich dann nicht so frei, wie sie könnten, sondern entsprechend den Erwartungen, die man an sie hat. Das wiederum bringt Andere dazu, dieses Verhalten als Bestätigung der Stereotype zu sehen und nicht als Reaktion auf diese. 


Prototyp
wird eine „idealtypische“ Repräsentation einer meist größeren Gruppe genannt. Für eine soziale Gruppe existiert im Gedächtnis eine abstrakte Repräsentation (Prototypen-Repräsentation), in der die typischen Merkmale der Gruppe vereinigt sind. Der Prototyp ist jedoch nicht durch eine Ansammlung von einzelnen Merkmalen spezifiziert, sondern stellt das aus den charakteristischen Merkmalen der Gruppe gebildete Gesamturteil dar. Die prototypische Gruppenre-präsentation bildet die Grundlage für spätere Urteile über einzelne Gruppenmitglieder. Prototypen-Modelle gehen von der hierarchischen Organisation von Stereotypen und der Existenz von Substereotypen aus. Oft sind Prototypen historisch veraltet, wie der Mexikaner mit Sombrero unter dem Saguaro, oder der Franzose mit Baskenmütze, gezwirbeltem Schnurbart und Baguette unter dem Arm. Die meisten Prototypen sind als (Vektor)grafiken sofort identifizierbar und werden allgemein als nicht realistische Idealisierung angesehen. Im Marketing werden Prototypen häufig verwendet, auch als Piktogramme sind sie meist unmittelbar identifizierbar. Bisweilen werden Prototypen nur noch durch besonders eingängige Symbolanteile dargestellt: der Saguaro mit Sombrero stellt dann prototypisch Mexiko dar, die Baskenmütze mit Baguette den Franzosen.


R
Rassismus
Nicht jede Äußerung über körperliche Erscheinungen ist rassistisch. Es gilt einmal die Kunst-freiheit, die grundsätzlich der political correctness nicht unterworfen werden sollte. Und dann gilt die Redefreiheit, die nur eingeschränkt werden soll, wenn andere durch die freie Rede zu Schaden kommen. Eine brauchbare Definition von Rassismus stammt von Claude Lévi-Strauss: Rassismus ist …
1. eine Lehre, oder Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen. Sie hat meist ideologischen Charakter, und wurde zur Rechtfertigung von Sklaverei, Kolonialismus o. Ä. entwickelt. 
2. eine dem Rassismus (1) entsprechende Einstellung, Denk- und Handlungsweise gegenüber Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen, z.B. "der of-fene Rassismus der weißen Regierung, der Nazis". Rassismus behauptet also:
Erstens: Es existiert eine Korrelation zwischen dem genetischen Erbe einerseits und den intel-lektuellen Fähigkeiten sowie den moralischen Anlagen anderseits. 
Zweitens: Dieses Erbe, von dem jene Fähigkeiten und Anlagen abhängen, haben alle Mitglie-der bestimmter menschlicher Gruppen miteinander gemein (Abstammung).
Drittens: Diese Gruppierungen werden ‹Rassen› genannt und können hierarchisiert werden gemäß ihrem genetischen Erbe. 
Viertens: Diese Differenzen ermächtigen die sogenannten überlegenen ‹Rassen›, die anderen zu beherrschen, auszubeuten und eventuell zu vernichten.

Regelrelativität
Wenn Menschen von der Regelrelativität überzeugt sind, bedeutet das, dass bestimmte soziale Regeln, Gesetzte und Vorgaben im öffentlichen Raum für sie keine Geltung oder sogar keine Bedeutung haben. Sie heben sich damit von der Gesellschaft ab, in der sie leben, weil sie die Gesetze und Regeln, welche für (fast alle) in der Öffentlichkeit gelten, nicht beachten müssen. Menschen mit ausgeprägter Regelrelativität kommen entweder aus einer sehr mächtigen und „abgehobenen“ Oberschicht (z.B. Kinder von russischen Oligarchen), oder sie kommen aus einer Gesellschaft, in der Gesetze generell nur dann durchgesetzt werden, wenn man sich nicht durch Bestechung freikaufen kann (siehe dazu den Korruptionsindex von Transparency International). Wer aus einem relativ korrupten Land kommt, für den ist die Regelrelativität eine Normalitätsannahme.


Regelpersonalisierung
bedeutet, dass Menschen jeweils wissen wollen, ob eine bestimmte Regel auch für sie in die-sem speziellen Fall gültig ist. Das kann zwei Gründe haben: Entweder gehört zu ihren => Normalitätsannahmen ohnehin die => Regelrelativität. Sie kommen also aus einem korrupten Staat, oder System, in dem die Regeln im öffentlichen Raum nur für den gelten, der keine „Beziehungen“ hat und das Schmiergeld nicht zahlen kann. Oder aber sie kommen aus einem Land, in dem Anweisungen unverbindlich sind, solange sie nicht mit einer Person verbunden sind. Dort würde man eine Regel nur zögerlich und unwillig befolgen, solange dies nicht auf Wunsch einer geschätzten Person geschieht. Regeln werden erst auf der => Beziehungsebene gültig und verbindlich, während sie auf der => Sachebene so weit als möglich ignoriert werden. 


Reintegration
"Wiedereingliederung" in den kulturellen Ausgangskontext - z.B. nach einer Auslandsentsendung. In der interkulturellen Personalentwicklung wird Reintegrationsmaßnahmen eine zentra-le Bedeutung bereits während der Entsendung beigemessen. Sie zählen zur Karriereplanung der Entsandten und spielen vor allem in Hinblick auf die Mitarbeitermotivation eine entscheidende Rolle. In der Regel wird die Bedeutung des Kulturschocks bei der Rückkehr unter-schätzt, da irrtümlich angenommen wird, der Entsandte kenne ja die Regeln und Werte des Landes seiner Herkunft. Diese können sich aber erstens inzwischen vielfach graduell geändert haben, und zweitens hat sich der Entsandte selbst in der Regel (stark) verändert. Die erlebte Kenntnis anderer Werte lässt ihn nun vielleicht an bestimmten Werten seiner eigenen Kultur zweifeln, wenn er sie nicht sogar ablehnt.


Reziprozität
Rückbezüglichkeit, Wechselseitigkeit: Eine grundlegende Bedingung für den Aufbau von Interaktionsbeziehungen und für die Konstituierung von "Kulturen" i.S. von Lebenswelten.


Rollendistanz
Unter „Rollendistanz“ versteht man die Fähigkeit, sich gleichsam selbst „auf den Kopf gucken“, sich also in seinem eigenen Handeln beobachten zu können. Damit vergegenständlicht man in gewisser Weise natürlich auch den gesamten (interkulturellen) Handlungskontext, was es erleichtert, die Differenz zwischen Eigenem und Fremdem zu reflektieren. Selbstbeobachtung in diesem Sinne ist letztlich auch eine Grundlage für selbstkontrolliertes Handeln, was keineswegs auf Emotionslosigkeit hinauslaufen soll oder muss.


Rückkehrschock
nennt man den „zweiten Kulturschock“ bei einer intensiveren Fremdbegegnung. Während der => Kulturschock schon in den 1950ern untersucht wurde (Oberg 1960), ging man lange Zeit ganz naiv davon aus, dass die Rückkehr in die Kultur der eigenen Kindheit, also der eigenen Enkulturationsphase, ganz einfach sei. Dabei wurde übersehen, dass man nach längerer => Akkulturation an eine andere Kultur – wenn man z.B. einige Jahre in einem anderen Land lebt – auch viele Formen der Wahrnehmung und des Urteilens, der Werte und Routinen dort auf-genommen hat. Einige davon wird man den Werten und Routinen der eigenen Herkunft dau-erhaft vorziehen, weil man sie schätzt oder sogar als Befreiung erlebt. Die => Reintegration ist jedoch oftmals ein größerer Schock als der Kulturschock bei Fremdkontakten, weil man über-haupt nicht erwartet, damit Probleme haben zu können. Genau diese Erwartung, dass man ja in die „vertraute Umgebung“ zurückkomme, wird aber enttäuscht. Nicht diese Umgebung der eigenen Kindheit hat sich stark verändert, sondern man selber hat sich stark verändert und kann nun viele Aspekte der ehemals so vertrauten Kultur nicht mehr akzeptieren.



S
Salad Bowl
ist eine aktuell modische Metapher für das Zusammenleben kulturell verschiedener Gruppen in den USA. Diese Metapher ist zwar weniger schrecklich und gewalttätig als „Schmelztiegel“ (=> Melting Pot) aber ebenso wenig geeignet. Werden in einer Salatschüssel verschiedene Zu-taten gemischt, so verändern diese sich nicht wechselseitig. In einer von Migration charakteri-sierten Gesellschaft beeinflussen sich aber die Mehrheit und die verschiedenen Minderheiten gegenseitig und schaffen eine neue Mischung, in der kulturelle Grundmuster der einzelnen Gruppen über die Dauer des => kommunikativen Gedächtnisses zumindest teilweise erhalten bleiben, aber zugleich etwas Neues, Gemeinsames entsteht, das zwischen allen Beteiligten neu konstruiert wird. Daher ist auch diese Metapher übervereinfacht und unbrauchbar.


Schamkultur
ist in einer dichotomischen Weltsicht (Dichotomie: Struktur aus zwei Teilen, die einander ohne Schnittmenge gegenüberstehen) das Gegenteil von => Schuldkultur. Dieses Modell geht zu-rück auf die US-amerikanische Ethnologin Ruth Benedict, die im Auftrag des Militärs der USA während des zweiten Weltkrieges die Kultur Japans untersuchte. Ob man zwei Länder in so abstrakter Form gegenüberstellen kann, ist umstritten. Ob man diese Gegenüberstellung der USA und Japans auf den Rest der Welt ausdehnen kann, darf bezweifelt werden. 
Schamgefühle – so die Annahmen - entstehen als Reaktion auf Kritik oder Bloßstellung von außen. In einer schamorientierten Kultur gilt nicht ein ruhiges Gewissen oder ein anständiger Charakter, sondern die öffentliche Wertschätzung als höchstes Gut. Die zentralen Begriffe sind Ehre und Schande. Das Individuum strebt in einer Schamkultur ein möglichst unauffälli-ges, rollenkonformes Verhalten an. Durch diese Unterwerfung unter ein System externer Ver-haltensregulierung erlangt das Individuum sozialen Schutz, büßt aber Teile seiner Identität ein.


Schema
Kognitive Struktur, die Wahrnehmungen bzw. Wissen organisiert. Vermutlich sind Schemata als Cluster organisiert. Man kann sich dies am Beispiel von Assoziationsketten verdeutlichen: Z.B. werden Assoziationen zum Begriff „Einsamkeit“ kulturell sehr unterschiedlich ausfallen und auch zu sehr unterschiedlichen Assoziationsnetzwerken weiterleiten. Je differenzierter derartige Schemata ausgeprägt sind, desto geringer ist die Gefahr einer stereotypengeprägten Weltsicht. 


Schuldkultur
geht wie der Korrelatbegriff der => „Schamkultur“ als Modell zurück auf die US-amerikanische Ethnologin Ruth Benedict, die im Auftrag des Militärs der USA während des zweiten Weltkrieges die Kultur Japans untersuchte. In einer „Schuldkultur“ ist die erzieheri-sche Autorität verinnerlicht. Im Mittelpunkt einer Schuldkultur steht das Gewissen des Individuums. Hier sind moralische Vorstellungen internalisiert. Die Auseinandersetzung mit Schuld ist die Grundlage einer „moralischen Person“. Nicht mehr die Wahrung der Ehre wie in der => Schamkultur, sondern der Umgang mit der Schuld wird zum zentralen Thema der Ge-sellschaft. Wenn vom Individuum eine Normverletzung begangen wird, entsteht ein Schuldgefühl, auch wenn Andere die Normverletzung gar nicht bemerkt haben, denn das eigene Gewissen gilt als moralisches Korrektiv für das eigene Verhalten und nicht die Meinung der Anderen. Eine Schuldkultur fördert also die Individuation und ermöglicht die Ausbildung eines universalen Wertesystems und ist somit nicht mehr von einer Wert gebenden äußeren Instanz abhängig. Benedict und andere haben dieses Schuldgefühl und die Schuldkultur mit dem Protestantismus (der USA) gleichgesetzt, in dem jeder mit sich alleine vor Gott steht.


Selbstethnisierung
kann als Ausdruck verwendet werden, wenn das Verhalten einer Minderheit beschrieben wird, die sich aufgrund von unterstellter oder echter Ausgrenzung durch die Mehrheitsgesell-schaft auf tatsächliche oder (sehr oft) vermeintliche Charakteristika ihrer Vorfahren bezieht und daraus eine neue (angeblich aber alte) ethnische Profilbildung macht. Unter dem Schlagwort => invention of tradition werden dann Bräuche, Werte und Verhaltensnormen, Sprach-formen, religiöse Zuschreibungen usw. für wesentlich erklärt. Oft hatten solche kulturellen oder/und religiösen Aspekte bereits in der Generation der Eltern ihre Bedeutung verloren, doch knüpfen deren Kinder an das an, was sie für die Traditionen ihrer Großeltern oder Ur-großaltern halten bzw. missverstehen. Institutionelle Diskriminierung, soziale und ethnische Segregation und strukturelle Benachteiligungen führen zu Selbstethnisierung. Da die hierbei verwendeten sozialen, kulturellen und religiösen Formen meist ihre ursprüngliche Bedeutung längst verloren haben, werden sie als Artefakte, z.T. auch als => kommodifizierte Artefakte neu entwickelt und mit einer => Sekundärmotivation versehen. Die Selbstethnisierung geht noch über die => Katakulturalität hinaus, da sie der Minderheit auch zum Aufbau eines (neu-en) Selbstbewusstseins verhelfen kann.


Shifting Baselines
Wenn man sich ein Tennisfeld vorstellt, an dem jede Nacht heimlich die Grundlinie um fünf Millimeter in Richtung Netz verschoben wird, hat man eine gute Vorstellung von „Shifting Baselines“. Der Begriff beschreibt das Phänomen, dass bestimmte Beobachtungen, Phänome-ne, auch Werte und anderes sich über die Jahre und Jahrzehnte unmerklich verändern, sodass nach einer Generation (manchmal auch schneller) Dinge für völlig normal gehalten werden, die noch wenige Jahre oder Jahrzehnte früher ein Skandal gewesen wären. Der Beobachtende ist sich nicht darüber im Klaren, dass das beobachtete Phänomen oder/und seine Wahrnehmung sich unmerklich verändert haben. Der Vergleich mit der ursprünglichen Ausgangsgröße (die ursprüngliche Position der Grundlinie beim Tennis) ist nicht mehr herzustellen. Generationen-übergreifende Longitudinalstudien zeigen vielfach, dass zwei aufeinanderfolgende Generatio-nen sehr unterschiedliche Normalitätsannahmen haben, die sich natürlich nicht in einem Sprung von A nach B gewandelt haben, sondern die sich in kleinsten Schrittchen über Jahr-zehnte ganz unmerklich entwickelt haben.


Selbstbild – Fremdbild
Das eine existiert nur in Abhängigkeit vom anderen: Bei Definitionen des Fremden kommen nicht „objektive“ Kriterien zur Geltung; die Einschätzung dieses Fremden geschieht vielmehr immer in Bezug auf einen selbst. Unsere Beziehung zum Anderen entscheidet darüber, wie „fern“ oder "fremd" es für uns ist. Viel folgenreicher noch ist der Umstand, dass wir nicht nur das Andere, sondern auch uns selbst über die Einschätzung dieser Beziehung definieren; ein Sachverhalt, der deutlich in dem von Psychologen und Philosophen häufig verwendeten Gegensatzpaar ego – alter ego zum Ausdruck kommt. Kurz gesagt: Wir definieren uns immer im Verhältnis zu anderen – und umgekehrt. Hierbei handelt es sich in der Regel nicht um einma-lige Definitionen: ob ich mich als „mager“, „dünn“, „vollschlank“ oder „dick“ bezeichne, hängt unter anderem auch davon ab, in welchem Bezugsverhältnis ich mich auf eine bestimm-te Art und Weise einschätze. Fest steht, dass ein Selbstverständnis nicht möglich wäre, wenn es nicht den „Anderen“, „Fremden“ gäbe, mit dem ich mich vergleichen könnte. Umgekehrt ist auch mein Verständnis des Fremden in erster Linie davon abhängig, wie ich mich selbst in dieser Beziehung sehe.
Man spricht in diesem Zusammenhang von Selbst- und Fremdbildern, die in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen und außerhalb dieses Zusammenhangs auch nicht denkbar wären. So können sich Selbsteinschätzungen in Abhängigkeit zu unterschiedlichen Fremdbildern vollkommen verändern. Das lässt sich an einem Beispiel gut vorstellen, wenn man überlegt, wie sich z.B. „wirtschaftliche Stärke“ aus deutscher Perspektive einerseits in Bezug auf die USA, andererseits in Bezug auf Mali definiert.


Selbstdisziplin
Selbstkontrolliertes Verhalten praktizieren; Fähigkeit zu Selbstorganisation und Zeitmanagement.


Sleeper-Effekt
Der Sleeper-Effekt ist ein so merkwürdiger Effekt der menschlichen Erinnerung, dass die For-schung ihn lange ignorieren wollte, obwohl er schon im Zweiten Weltkrieg (Hovland 1940) nachgewiesen wurde. Er ist für die Entwicklung und Verfestigung von Stereotypen und Vor-urteilen von großer Bedeutung. Im Kern geht es darum, dass wir mit der Zeit fast jeden Blöd-sinn glauben, wenn er nur oft genug wiederholt wird, obwohl wir beim ersten Hören die Quelle dieser Information für vollkommen unglaubwürdig einschätzen. Normalerweise  lassen wir uns zunächst nicht weiter beeindrucken, wenn wir Informationen aus einer völlig unqualifizier-ten und unglaubwürdigen Quelle bekommen. Da wir aber beim Erinnern die Information von ihrer Quelle trennen, und die Quelle viel schneller vergessen als die Information, halten wir oft nach längerer Zeit die Information für wahr und integrieren sie in unsere Weltsicht, obwohl wir anfangs wussten, dass es dummes Zeug war. Dieser Effekt ist umso stärker, je weniger tatsächliche Rückmeldung aus Tatsachen und eigenen Beobachtungen wir haben. Bei Infor-mationen über fremde Kulturen, die wir selber nicht alle im Detail überprüfen können, ist die Gefahr groß, dass wir bald auch völlig falsche Informationen aus völlig unglaubwürdigen Quellen für wahr halten.


Sense of Ownership

 

Soziales Kapital
beschreibt die Summe der Fähigkeiten, des Wissens, der sozialen Erfahrung, der Lebenserfah-rung, formaler Bildung und sozialer Verbindungen (auch Freunde, Bekannte, Zugang zu Be-rufsgruppen, Netzwerke, usw.), die ein Mensch im Laufe seines Lebens erwerben kann. Der Begriff ist an marxistische Theoriebildung angelehnt und beschreibt nicht mehr materielles Kapital, sondern in Anlehnung daran eben das „Kapital“, das dem Einzelnen für seine soziale Interaktion zur Verfügung steht. Je umfangreicher die Lebenserfahrung ist, je mehr Zugang man zu verschiedenen (vor allem auch: zu höheren) sozialen Gruppen gehabt hat, umso selbst-verständlicher kann man sich dort bewegen. Ohne das entsprechende soziale Kapital bleibt man in den meisten Gruppen ein Außenseiter, eine Witzfigur.
Der Erwerb von Kenntnissen und Erfahrungen in einer fremden Kultur ist auch ein Erwerb von neuem sozialem Kapital. Zum modernen Management gehört neben dem Wissen um das angemessene Verhalten in beruflichen Kontexten auch Grundwissen über ein angemessenes Verhalten in kulturell unbekannten Kontexten als interkulturelles soziales Kapital. Einer der ersten Autoren, die den Erwerb von sozialem Kapital fördern wollten, war Freiherr Adolph => Knigge.


Sozialisation
sichert ein der Gesellschaft adäquates Verhaltensvermögen. Sie findet durch Teilnahme an der => Kommunikation der Gesellschaft laufend statt. Eine besondere Art der Sozialisation ist Erziehung. 


Spatiale Metapher
nennt man in der Theoriebildung der Kulturwissenschaften alle Modelle, die mit räumlichen Bildern, mit „Boxen“ und „Kisten“ und „Räumen“ operieren. Sie sind wegen der räumlichen Anschaulichkeit sehr beliebt, aber gerade wegen ihres räumlichen Charakters notwendig sta-tisch und damit für die Beschreibung kommunikativer Prozesse gänzlich ungeeignet. Zu den bekanntesten spatialen Metaphern gehören das => Eisbergmodell, das => Pfirsichmodell und die Vorstellung des => Dritten Ortes. Die notwendige => Komplexitätsreduktion zum Errei-chen einer räumlichen Darstellung ist eine erhebliche konstruktive Leistung, doch sollten sol-che Modelle immer nur der Ausgangspunkt für spätere Vertiefungen sein.


Stereotype
sind mentale Bilder und Vorstellungen, die wir mit sozialen Gruppen und Kategorien verbin-den, und die uns dazu dienen, unser eigenes Verhalten gegenüber einzelnen Menschen aus diesen Gruppen zu steuern, zu erklären und zu rechtfertigen. Es sind stark vereinfachte (in der Regel übervereinfachte) Überzeugungen bezüglich der Merkmale von Menschen und Menschengruppen, von sozialen Kontakten, Verhaltensregeln, usw.. Stereotype können einen wahren Kern haben, der allerdings (zeitlich) schon lange zurückliegen kann. Sie entstehen oft his-torisch zufällig und ihnen liegt in der Regel eine im Einzelfall zutreffende Beobachtung zu-grunde. Der Begriff „Stereotyp“ kommt aus der Zeitungsdruckerei und wurde ursprünglich 1922 von Lippmann geprägt um solche Verallgemeinerungen zu beschreiben. Aufgrund der natürlichen Begrenzung in unserer menschlichen Informationsverarbeitung sind solche Verallgemeinerungen grundsätzlich nicht nur sinnvoll, sondern sogar völlig unumgänglich. Der Zweck dieser ständigen Einteilung der Welt in Gruppen und Kategorien liegt vor allem in der Notwendigkeit, die überaus komplexe, unübersichtliche Umwelt in eine beschreibbare und beherrschbare Welt zu verwandeln, in der man handeln und sich bewegen kann. Als vereinfachte Repräsentation der sozialen Umwelt dienen sie vor allem der effektiven Informationsverarbeitung und schnellen Orientierung, und sie sind keineswegs von jedem Einzelnen neu erfunden, sondern vielmehr sozial geteilte (und ständig sozial rückbestätigte) Überzeugungen.


Stereotypisierung
nennt man den Prozess, stereotype Vorstellungen von uns selber (=> Autostereotypie) und von anderen (=> Heterostereotypie) zu entwickeln. Diese Beobachtung ist allerdings vom Beobachter ebenso abhängig wie vom Beobachteten, da den Beobachtern vor allem Dinge auf-fallen, die nicht so sind, wie das eigene Verhalten. Vereinzelt beobachtete Abweichungen von dem als „normal“ definierten eigenen Verhalten werden als „typisch“ für die gesamte (andere) Gruppe angesehen, die dadurch im eigentlichen Sinne überhaupt erst gebildet (=konstituiert) wird. Indem man Stereotype mit anderen teilt, erfüllen sie außer der (primären) Orientierungs-funktion zugleich noch eine weitere, wichtige Funktion, nämlich historisch die Traditionsbil-dung und aktuell die Kollektivbildung. Wir grenzen uns von anderen ab, indem wir sagen: „die waren schon immer alle so und so“ und wir verstärken unsere Tradition, indem wir sagen: „wir sind schon immer so und so gewesen“. Aus der einschlägigen Forschung (vgl. Hort 2007) weiß man, dass keine Epoche und keine menschliche Gruppe jemals frei von stereotypen Annahmen waren. 
Die Stereotypisierung passiert im Alltag so schnell und mühelos, dass man sich dessen kaum oder gar nicht bewusst wird. Stereotypisierung ist als abkürzender und vereinfachender Prozess notwendig, weil man weder das Wissen, noch die kognitive Kapazität hat, um jede Er-fahrung mit Menschen und Gruppen differenziert und ausgewogen zu verarbeiten. Sie entspricht dem Prinzip des geringsten kognitiven Aufwandes.


Stereotype-Threat-Theory
ist der Versuch (Aronson & Steele 1995), ein spezielles Verhalten als Theorie abzubilden. Es geht um Individuen, die mit dem Gefühl der Bedrohung leben, dass sie negative Stereotype über die eigene Gruppe bestätigen könnten. Wer mit der Angst lebt, er könne die negativen Erwartungen an die eigene Gruppe erfüllen, lebt mit dem selbst auferlegten Druck, diesen Erwartungen nicht zu entsprechen. Wenn also z.B. junge Frauen glauben, man traue ihnen im Fach Mathematik nicht viel zu, wächst der selbst auferlegte Druck, das nun unbedingt zu be-weisen, und sich gegen diese stereotype Zuschreibung nicht zu bestätigen. Voraussetzung ist der Wille, das negative Stereotyp zu widerlegen. So können sich bestimmte Stereotype, die mit dem eigenen Leben eigentlich nichts zu tun haben, zu einer Richtschnur des eigenen Ver-haltens entwickeln.


Superdiversität
beschreibt seit etwa 2020 die Folgen massiver Migration, und der dabei oft vorkommenden kulturellen Begegnung von verschiedenen Migrantengruppen auf engem Raum. Hier entstehen kulturelle Muster, die durch Funktionalität und gleichzeitige Abgrenzung von der Zielkultur geprägt sind. XXXX


Synergiebewusstsein
Nicht an bestehenden Strukturen festhalten, sondern prozessorientiert handeln, Zufälligkeiten zulassen („kreatives Chaos“) und die Entstehung von qualitativ Neuem, das weder für die eine noch für die andere Kultur „typisch“ ist, befördern. 


Synkulturalität
ist ein jüngst eingeführter Begriff in der Medienwissenschaft. Er soll die literarisch-ästhetischen Vernetzungen und kreativen Kultursynthesen der deutschen Migrationsliteratur beschreiben. Der Begriff wird vor allem in der Literaturvermittlung verwendet.


System
Der Begriff des Systems ist sehr vielfältig. In unserem Zusammenhang wird er für die Be-schreibung von => Kulturen als Systeme verwendet. Kulturen werden beschrieben als Systeme, die nicht geschlossen, sondern offen sind, in sich widersprüchlich und auf Austausch mit anderen Systemen angelegt.
Von besonderer Bedeutung für uns ist der geschlossene Systembegriff  von Niklas Luhmann (xx-xx) der in die Entwicklung der Idee von der => Autopoiesis eingegangen ist xxx


T
Tabu
xxxxxxxxxxxxxxx.


Thematisierung
vgl. --> Metakommunikation: Unklare und eventuell missverständliche Situationen in der in-terkulturellen Kommunikation als solche ansprechen und nicht nach dem Motto „es wird sich schon von selbst regeln“ verdrängen.


Toleranz
Der ursprüngliche Begriff der Toleranz in Europa stammt aus dem Monotheismus: es gibt nur einen Gott und daher auch nur eine endgültige Wahrheit. Man kann tolerieren, dass Andere dieses Wahrheit (noch) nicht haben. Dies war also ein überheblicher und herablassender Dul-dungsbegriff nach dem Motto: „Ich habe zwar Recht, aber ich lasse Dich mal in Deiner Ignoranz Ruhe.“ Angesichts einer stark interdependenten Welt können wir viele Probleme in inter-nationalen Teams oder auch für die Zukunft der Menschheit insgesamt aber nur noch gemein-sam lösen. Aus dieser Einsicht erwächst die Erkenntnis, dass ich Andere auch dann tolerieren muss, wenn ich nicht mit ihnen einverstanden bin, und wenn ich nicht sicher bin, dass meine Meinung die einzig wahre ist. Toleranz besteht z.B. darin, kulturelle Andersheit nicht zu be-werten, sondern als Andersheit zu akzeptieren und nach Möglichkeit zu verstehen suchen.


Aktive Toleranz
Der Begriff der aktiven Toleranz bedeutet, dass man verstanden hat, dass man selber auf den/die Anderen zugehen muss, und dass man den/die Anderen ertragen muss, um gemeinsam etwas zu erreichen. Er klammert das Rechthaben aus, und bedeutet im Unterschied zum mo-notheistisch inspirierten Begriff von vorn herein den Verzicht auf die Annahme, dass es nur eine Wahrheit geben könne. Das Aushandeln einer gemeinsamen Wahrheit für die Gegenwart, in Verbindung mit der Offenheit für weitere, andere Entwicklungen mit dem Ziel etwas gemeinsam zu erreichen, ist charakteristisch für aktive Toleranz.


Transdifferenz
ist ein Versuch, den Begriff der => konstruierten Differenz als einen durch alles hindurchge-henden Differenzbegriff zu verstehen, das den Anteil an Differenzen beschreibt, welcher sich niemals auflöst, sondern sogar aktiv genutzt wird, um verschieden von allen zu sein.
Differenzen sind vorübergehende Erscheinungen, die instabil werden. Sie haben eine orientie-rungsstiftende Funktion. Es gibt in der Philosophie mehrere Modelle mit Differenzen umzu-gehen. Entweder man lässt sie als Abgrenzungen stehen, oder man strebt im Sinne der => Hermeneutik eine => Horizontverschmelzung an. Drittens gibt es das Hegelsche Modell, Differenzen zwischen These und Antithese in einer Synthese (auf einer höheren Stufe) aufzuhe-ben und neuerdings gibt es viertens den Vorschlag, bestehende Differenzen auch neu auszu-bauen, um seine Identität in einer globalisierten Welt weiter zu entwickeln in Differenz zu vielen anderen. Dieses dynamische Identitätskonzept fokussiert auf die Frage „wer ich werde“ und nicht, „wer ich bin“. Die kontinuierlichen Austausch- und Änderungsprozesse von Kultu-ren können bei einigen Personen vielleicht zu einer Komplexitätssteigerung postnationaler Identitäten führen und trotz zunehmender Fragmentarisierung des Selbst die „Teilhabe an mehreren Kollektiv-Intersubjektivitäten“ ermöglichen. Ob jemals viele Menschen solche trans-differenten Identitäten ausbilden werden, ob das überhaupt geht, oder ob sich nicht als gegen-läufige Bewegung => katakulturelle Modelle entwickeln, ist heute offen.


Transkulturalität
Transkulturell ist ein noch nicht einheitlich definierter Begriff.
Die parallele Entwicklung von eher dichotomischen Überlegungen zur Didaktik des Fremdverstehens (seit 1980) einerseits („die und wir“) und die eher hermeneutisch ausgerichteten Überlegungen zu einer interkulturellen Landeskunde (seit 1985) andererseits werden ergänzt durch eine dritte Theorielinie um Transkulturalität als einer weniger statischen und nicht essen-tialistischen Basis für die Zuschreibung kultureller Identität. Erstaunlicherweise bezieht sich diese Diskussion bis heute auf Arbeiten von Welsch (1995), der eine => monokulturelle, am Philosophen Johann Wolfgang Herder (1784) orientierte Auffassung der Kulturdefinition nie-derringen wollten, die es in der Fachdiskussion schon lange nicht mehr gibt. Das wurde von Welsch jedoch nicht erkannt. 
Der Begriff Transkulturalität kann für zwei Erscheinungen verwendet werden.
Erstens als Begriff für dynamische Lebensformen, die die Grenzen von Nationalkulturen überschreiten und typischerweise durch Migration sowie durch die Wirkungen der weltweiten materiellen und immateriellen Kommunikationssysteme zustande kommen. Hierbei ist wesent-lich, dass (1) transkulturelle Elemente, z.B. bestimmte Haltungen gegenüber Freiheit oder Gleichberechtigung immer zusammen mit (2) kulturellen Haltungen aus der Enkulturation und (3) kulturspezifischen Haltungen aus der aktuellen Umgebung (mit allen ihren => Erzwingungsmechanismen) zusammen eine Mischung bilden. Es gibt also keine transkulturelle Identi-tät, wohl aber transkulturelle Elemente in den Identitäten vieler Menschen.
Zweitens bezeichnet der Begriff dingliche oder diskursive Phänomene, die sich dadurch aus-zeichnen, dass sie entweder auf eine eindeutige Zugehörigkeitsbehauptung zu einzelnen Kulturen absichtlich verzichten, also zum Beispiel moderne, weltbürgerliche Identitäten, oder die solche kulturspezifischen Zugehörigkeiten nicht aufweisen können, wollen oder sollen, also Orte „außerhalb“ kulturspezifischer Deutungsmuster“ wie Flughäfen, Supermärkte, Einkaufs-zentren. Mit Transkulturalität sollen also kulturübergreifende Phänomene und Produkte, aber auch Verwischungen und „Verflüssigungen“ von Identität beschrieben werden, die am ehes-ten konstruktivistisch zu fassen sind, und in denen eigene Formen der Kommunikation ausge-bildet werden. Sie sind nicht durch eindeutige kulturelle Zugehörigkeiten oder Abgrenzungen von Großgruppen wie Nationalstaaten zu charakterisieren. 
Der Begriff bedeutet also (1) „zwei oder mehr Kulturen übergreifend“ im Sinne einer gemein-samen "allgemeinmenschlichen" Basis jenseits aller kulturellen Divergenzen oder (2) nicht zu einer bestimmten Nationalkultur gehörend, im Sinne einer Mischung aus verschiedenen Quel-len, oder (3) im Sinne der „kulturungebundenen“ Dingwelt, die von globalen Konzernen heute so hergestellt wird, dass sie kulturübergreifend verkauft werden kann. Typische Beispiele aus der transkulturellen Dingwelt, die die „Oberfläche“ vieler Begegnungen darstellt, sind global vermarktete Möbel und Autos, Popmusik, Limonaden, große (aber keineswegs alle) Teile des Internets, Konferenzhotels, Piktogramme, CocaCola, Ikea, Jeans oder Fatfood usw. und westliche Medienprodukte wie „König der Löwen“ oder „Pocahontas“, deren Bilderwelt tatsächlich transkulturell ist: sie können in praktisch jeder Kultur problemlos verstanden und konsumiert werden.
Als Sozialisationsort der Transkulturalität darf man heute weltweit das Einkaufszentrum annehmen, in dem sich die Welt fortgesetzt als ihre eigene Raubkopie begegnet.


U
Universalismus
bezeichnet die Vorstellung, dass die eigenen Werte universell gelten oder gelten müssten. Der Universalismus geht weit über den => Ethnozentrismus hinaus, in welchem lediglich die eige-nen Werte als die einzig richtigen behauptet werden, indem er ethnozentrische Vorstellungen (meine Werte sind die wahren Werte) mit einer religiös-missionarischen Haltung verbindet ( … und allen anderen müssen meine Werte erlernen und übernehmen). In der Folge der => Aufklärung hat zunächst Frankreich einen ausgeprägten Universalismus entwickelt und versucht, die => Zivilisation allen Menschen der Welt nahezubringen.
Heute gibt es einen religiösen Universalismus bei allen mosaischen Religionen, also im Judentum, Christentum und im Islam (manche Autoren würden den Kommunismus als viertes Ele-ment dazuzählen), der mit unterschiedlicher Intensität behauptet wird.
Zugleich gibt es auch einen säkularen Universalismus, der (nach dem Wegfall seines kommunistischen Gegenparts) als Verbreitung von westlichen Werten und Demokratie vor allem durch die USA betrieben wird. 


Unternehmenskultur
ist die von der Unternehmensführung vorgegebene und vorgelebte Grundgesamtheit der ge-meinsame Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten aller Mitarbeiter prägen sollen. In vielen Firmen wird heute das Bild, das die Firma nach außen und innen abgibt, als strategisch bedeutsam gesehen. Daher wird hier versucht, als Rahmen für das Handeln aller Mitarbeiter eine Unternehmenskultur festzuschrei-ben. So soll für alle Mitglieder der eigenen Firma ebenso wie für Außenstehende, z.B. Kun-den, Lieferanten, Banken, eine bestimmte Wahrnehmung des Unternehmens sichergestellt werden. Je stärker Unternehmen international vernetzt sind, desto offener und allgemeiner müssen die unternehmenskulturellen Grundsätze bzw. "Unternehmensleitlinien" formuliert sein. Oftmals werden daraus in multinationalen Firmen extrem allgemein formulierte, -> trans-kulturelle Vorgaben, an die sich dann die Unternehmensleitung noch nicht einmal hält.


V
Verantwortungsdiffusion
bedeutet, dass mehrere – auch viele – Menschen in einer kritischen Situation keine Verantwor-tung übernehmen, weil ja viele andere da sind, die das tun könnten. Typische Beispiele sind Unfallorte, an denen viele zuschauen, aber kaum jemand hilft. In kulturellen Überschnei-dungssituationen wird dieses Phänomen noch deutlicher, weil man z.B. in einer fremden Kultur auch nicht sicher weiß, wie man und ob man Verantwortung übernehmen soll und darf. Während es in der westlichen Welt meist üblich ist, z.B. in kritischen Situationen individuelle Verantwortung zu übernehmen und zu handeln, ist das in manchen anderen Kulturen nicht gern gesehen, und es kann sogar zu sehr ernsthaften Problemen führen, wenn z.B. erste Hilfe am Unfallort als Einmischung betrachtet wird, oder dabei unbekannte oder konkret nicht be-achtete Tabus übertraten werden (z.B. Mann hilft fremder Frau nach Unfall in einem muslimischen Land).


verbal
ist eine Kommunikation dann, wenn Wörter verwendet werden. Nicht alle Kommunikation erfolgt verbal, also durch Wörter. Es gibt auch => nonverbale Kommunikation mit Gesten und => paraverbale Kommunikation durch Betonung xxxxx


verstehen
sprachgeschichtlich von „davor stehen“ 


Vorurteile
sind wie der Name schon sagt zunächst Urteile. Genauer sind es meist Urteile, die statische Vorstellungen und Einstellungen gegenüber Menschen oder Menschengruppen ergänzen. Ähn-lich den Stereotypen, die ja selbst noch keine Urteile enthalten, setzen auch Vorurteile zu-nächst eine Verallgemeinerung der Anschauung voraus. Man betrachtete Einzelne und schließt auf die ganze Gruppe. Es handelt sich sozusagen um -> Stereotype plus Werturteile. Stereotype sind immer die Basis für Vorurteile, sorgen aber alleine noch nicht für die Entstehung von Vorurteilen. 
Vorurteile sind – genau wie die -> Stereotype durch -> Fossilierung charakterisiert und verall-gemeinern anekdotische oder gar phantastische Erfahrungen, also Dinge die man nur einmal erlebt hat, oder Dinge, die man sich nur einbildet. Vorurteile können auch positiv sein: Jemand ist gut, weil er immer schon gut gewesen ist. 


W
Wahrheitseffekt oder Illusory truth effect
(engl. auch truth effect, illusory truth effect, frequency validity effect; sowie Validity-Effekt oder Reiterationseffekt) wurde 1977 erstmals beschrieben. Es geht dabei um das Phänomen der kognitiven Psychologie, dass denjenigen Aussagen, die zuvor bereits gehört oder gelesen wurden, ein größerer Wahrheitsgehalt zugesprochen wird als solchen, die erstmals gehört werden. Es ist also egal, ob eine Aussage wahr oder falsch ist: Wenn man sie oft genug hört, dann glaubt man sie wahrscheinlich. Werbung, Propaganda und Manipulation der Sozialen Medien nutzen diesen Effekt gezielt. Der Wahrheitseffekt beruht auf Prozessen des impliziten Gedächtnisses: Der eigentliche Gedächtnisinhalt (hier: die Aussage) kann nicht bewusst erinnert werden, führt jedoch dazu, dass sein Wahrheitsgehalt höher beurteilt wird. 


Wahrnehmung (selektive)
Wenn wir Situationen erleben oder Dinge wahrnehmen, die nicht in unser Weltbild passen könnten, ist die Gefahr sehr groß, dass wir sie ausblenden oder nus so wahrnehmen, dass sie nicht weiter stören.
Wertewandel
Wertewandel und kultureller Wandel sind ineinander verflochten. Je komplexer die Kollektive sind, desto weniger ist deren Wandel steuerbar. Er vollzieht sich weitgehend als "invisible hand"-Prozess.


X
Xenokulturell
von einem xenokulturellen Kontakt [fremd-kulturell – von ξένος = fremd] sprechen wir, wenn die kulturelle Beziehung nicht nur als „anders“ (= hetero), sondern als dezidiert „fremd“ erlebt und interpretiert wird. Der Unterschied zwischen „anders“ und „fremd“ ist wesentlich, da „Andersartigkeit“ noch im eigenen Wertesystem eingeordnet werden kann, während -> Fremdheit bedeutet, dass es keinen differenezierten Zugang auf der Basis der eigenen Le-benswelt gibt. xxx


Xenologie
Fremdheitslehre (von gr. ξένος "xenos": fremd) Bezeichnung für interdisziplinär und interkul-turell ausgerichtete Fremdheitsforschung. Die Hauptgegenstände der [...] Xenologie [...] sind die Erscheinungsformen und Einschätzungen kultureller Fremdheit und des Fremden, das Verhältnis und die Interdependenz von Fremdem und Eigenem, die Konstitution von Fremd-heitsprofilen und Fremdheits¬konstruk¬tionen, Möglichkeiten und Grenzen des Fremdverste-hens, interkulturelle Verständigungsprobleme sowie Formen und Funktionen von Stereotypen, Vorurteilen und Xenophobie. [...] Es geht um die kultureller Alterität, die verhaltensleitenden Rahmenbegriffe interkultureller Kommunikation und Hermeneutik, die kulturdifferente Kon-stitution von Fremdheitsprofilen und Fremdheitsgraden, [...] die Bedeutungssetzungen von Fremderfahrungen und die Probleme interkulturellen ¬›Verstehens‹.“


Xenophilie

 

Xenophobie

 

Z
Zivilisation
Zivilisation in diesem Sinne ist ein zutiefst westliches Konzept.
Sie basiert auf den Ideen der Gleichheit (vor Gott, dem Gesetz, usw.) und der Aufklärung und eigenem Denken.
•    Gibt es ein formales Rechtssystem?
•    Werden die Regeln offen kommuniziert?
•    Gelten die Rechte für alle gleich?
•    Gibt es Erzwingungsmechanismen?
•    Sind die Mechanismen unparteiisch?
•    Gibt es Schutzmechanismen durch das System?

 

Zurechthören
nennt man in der Sprecherziehung die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, in einem gehörten Satz ein störendes Wort (eine überraschende und unerwartete Information) soweit zu verän-dern, dass diese der Erwartung entspricht. Wenn man „Gehörtes zurechthört“ wird es sozusa-gen an die Erwartung angepasst, es werden störende Informationen blockiert und in ähnlich klingende Wörter verwandelt, die in etwa passen. Es kann sich auch einfach um Ausblendung handeln wie z.B. beim => Gorillaexperiment.

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